Das Glück der Erde

Impressionen vom Internationalen Reitturnier in Berlin  ■  PRESS-SCHLAG

Der gute alte Sport des Springreitens ist auch nicht mehr, was er mal war. Zwar sind immer noch alte Haudegen aus der Frühzeit des Pferdesports wie David Broome oder Nelson Pessoa mit von der Partie und wetzen brav Sattel für Sattel ab, zwar treibt nach wie vor ein erfolgreicher Pferdehändler namens Paul Schockemöhle sein Unwesen zwischen den Oxern das letzte Mal fiel er dadurch auf, daß er den Koreanern für ihre Olympiade einen Schwung Military-Pferde verscherbelte, von denen einige jegliches Springen entschieden verabscheuten - aber sonst hat sich einiges verändert. Die Pferde heißen im Zeitalter des Sponsorship nicht mehr einfach und schlicht „Halla“ oder „Meteor“, sondern „Bugatti“, „Diners“, „Moet Et Chandon“ oder gar „Lama des Landes“, ein Name, der zweifelsohne hübsch mit dem seines Reiters, Gilles Bertran de Balanda, korrespondiert; und seit der schwedische Autokonzern Volvo die Austragung des World Cups unter seine Fittiche genommen hat, werden die Ehrenrunden nicht mehr geritten, sondern in einem dem Sieger verliehenen Produkt des Hauses zurückgelegt.

Der Gewinner des Berliner World-Cup-Springens, der Franzose Roger Yves Bost, mit 23 jüngster aller Teilnehmer, ging zwar noch mit seinem Gaul „Norton de Rhysmalesan“ über die Hindernisse - ein altmodischer Unfug, dem Volvo wahrscheinlich auch bald abhelfen wird - doch kaum hatte er zum Abschluß des Stechens den „Großen Weißen Gatteroxer“ fehlerfrei gemeistert, sattelte er schon auf erheblich mehr PS um und machte sich knatternd und pestend von hinnen, während der edle Norton traurig und zu Fuß mit einem Stallburschen vorliebnehmen mußte.

Vorausgegangen war ein munteres Hüpfen und Springen von 38 Reitern und Reiterinnen, die sich übrigens, sobald sie im Sattel sitzen, auch ohne Pfeil und Bogen, flugs in „Amazonen“ verwandeln. Dreizehn bewältigten den Parcours mit null Fehlern, nicht darunter David Broome, dem ein Lapsus am Charlottenburger Schloß-Oxer unterlief, Paul Schockemöhle und Nelson Pessoa. Ausgerechnet der Brasilianer kam bei der Grünen Triple Barre mit seinem „Moet Et Chandon Special“ aus dem Takt. Ein nervöser Hengst namens „Calando“ durfte auch mittun und sah so aus, als hätte er seinen Reiter, einen Cuepper aus Luxemburg, zwischen den Hindernissen liebend gern abgeworfen. Da ihm das nicht gelang, verweigerte er nach dem neunten Hindernis jede weitere Kooperation.

Ins Stechen, eine Art berittenes Elfmeterschießen, wie unser verdienter und freier Mitarbeiter Bernd Müllender einstmals scharfsinnig erkannte, kamen dafür alle vier deutschen Mannschaftsolympiasieger. Doch die Herren Beerbaum, Brinkmann, Sloothaak und Hafemeister hatten es zu eilig, kassierten insgesamt 28 Fehlerpunkte und schafften es nicht unter die ersten Drei. Den zweiten Platz belegte der Australier Jeff McVean auf „Whisper Grey“, den dritten „Moet Et Chandon Jo“ unter der Belgierin Evelyne Blaton.

„Hervorragende Paare“ seien in Berlin am Start, hatte Lokalmatador Dirk Hafemeister vorher geschwärmt, doch die Berliner waren nicht sehr interessiert. Knapp 4.500 Zuschauer sahen den World Cup, an den ersten Tagen des Turniers kamen noch weniger. „Das Publikum bei uns ist eine Katastrophe“, ärgerte sich Publikumsliebling Hafemeister, und Karsten Huck, Bronzemedaillengewinner von Seoul, grollte: „Da wird ganz großer Sport geboten und trotzdem gähnende Leere. Das wäre nirgendwo in Europa möglich.“

Ja'ja, die Berliner. Aber mal ehrlich, wer würde schon gerne Reitveranstaltungen besuchen, die solch gräßliche Namen tragen wie: „Preis des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“, oder, bitte festhalten: „Preis des Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl“. Brrrr.

Matti