GASTKOMMENTAR
: Nicht nur Symbol

■ Zum Tod von Maria Carla

Natürlich sind die Spekulationen über die Todesursache Maria Carlas bereits in vollem Gange: Krank sei sie gewesen, „schon vorher“, wie einer der Vergewaltiger – im überflüssigsten Interview des Jahres – der Tageszeitung 'La Republica' zu Protokoll gab. Spekulationen auch noch über ihren Tod, wie zuvor über ihr Leben, vor, während, nach dem Prozeß. Ihr Tod ist ebenso exemplarisch, wie es ihr Leben war, insbesondere die letzten acht Monate, seit dieser „scheußlichsten Tat an der schönsten Piazza Roms“, wie sie selbst es genannt hat.

Vergewaltigt am Vorabend des Weltfrauentags, sechs Wochen danach bereits der Prozeß: Man sagte und schrieb, das Urteil zu vier Jahren und acht Monaten für die drei sei „womöglich eine überharte Strafe“ für an sich brave Burschen, „wegen einer bloßen Vögelei“; ein „opportunistisches Urteil“, diktiert von der Empörung der Frauen, die am Tag nach der Tat durch Rom demonstrierten – eine „feministische Modeerscheinung“. Die Kultur der Vergewaltigung, die sich in Italien breitmacht, hatte mit dem angemessenen Urteil der ersten Instanz nur eine kurze Pause eingelegt. Es geht weiter wie vordem, die Reduktion der Strafen und die Freilassung der drei zeigen es.

Drei brave Burschen, ecco; und die Frau? Auch leicht zu etikettieren: ein „Dummchen“ (noch die zarteste Zuschreibung), Alkoholikerin, drogenabhängig und mit allerlei Affären. Ein leichtes Ziel in einem Prozeß, wo Erniedrigung der Verletzten zum Ritus gehört: Maria Carla wurde zur Angeklagten, seziert wurde jeder Winkel ihres Körpers, ihrer Psyche – Opfer waren, am Ende, die Vergewaltiger, nicht sie.

Sie ist, kein Zweifel, an der Ungerechtigkeit gestorben, an der Verzweiflung über dieses Urteil, das im Grunde sie verdammt und nicht die drei Gewalttätigen, das ihrem Leid hohnspricht wie der Armut, aus der sie kam und die ihr noch zum Vorwurf, zur Begründung für ihre „Anrüchigkeit“ gemacht wurde.

Es genügt nicht, ein bloßes Symbol aus ihr zu weben, eine Art feministischer Maria Goretti (jener Heiliggesprochenen, die sich lieber umbringen als vergewaltigen ließ), und den Fall damit zu den Akten zu legen. Wir müssen lernen, nicht nur – wie sie – das Grauenhafte überleben zu wollen, sondern viel, viel mehr: zu leben gegen eine Gesellschaft, die so etwas wie ihren Leidensweg nicht nur zuläßt, sondern regelrecht provoziert.

Raffaella Menichi, römische Journalistin