Neonazi-Hetze im „Schlesier“

Vertriebenenblatt zu November-Pogromen: „Strafe, Sühne, Aussöhnung? - Nein, Rache!“  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Einen Freispruch für die Verbrechen des Nationalsozialismus fordert das Vertriebenenblatt 'Der Schlesier‘ in seiner Ausgabe vom 25. November. Unter der Überschrift „Strafe, Sühne, Aussöhnung? - Nein, Rache!“ heißt es anläßlich der Gedenkfeiern zu den Novemberpogromen vor 50 Jahren: „Gegen alles Recht spielen sich unsere führenden Politiker zu Anklägern, Fahndern und Richtern ihres eigenen Volkes auf. Sie stellen dem ganzen Volke die unlösbare Aufgabe, die Vergangenheit zu bewältigen.“ In der Einleitung des Textes, für den ein freier Mitarbeiter J.P.Ney zeichnet, behauptet der Autor, „da sitzen alle friedlich zusammen, Weizsäcker, Honnecker, Diepgen, Sindermann, Willi Brandt, Kohl, protestantische und katholische Bischöfe, Gewerkschafter und Arbeitgeberführer, verkleiden sich als Juden und dreschen einmütig auf ihr Volk herunter“. Der Autor schreibt regelmäßig für das Vertriebenblatt, und sein jetziger Artikel ist nach einer Entscheidung des Chefredakteurs ins Blatt gehieft worden. Bekannt ist 'Der Schlesier‘ nicht zuletzt wegen der regelmäßigen Mitarbeit des Vorsitzenden der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der Fortsetzung Seite 2

CDU/CSU, Herbert Hupka. In dem Artikel - der von 'dpa‘ übermittelt wurde - heißt es weiter: „Man legt uns keine Beweise unserer Schuld vor, ja man will sogar den bestrafen, der es wagt, die Schuld zu bezweifeln.“ Und: Ein Ende dieser Erbschaft sei nicht abzusehen. Der Mehrheit der Deutschen, die 1938 noch gar nicht gelebt habe, werde auferlegt, sich zu erinnern. Über den Bundespräsidenten Weizsäcker, der in einer Rede zum 40.Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus erklärt hatte, „uns wird es nicht gelingen, uns mit der Geschichte auszusöhnen“, wirft der Autor vor, Weizsäcker stelle sich damit „außerhalb des christlichen Grundsatzes von der Vergebung“ und fährt dann fort: „Selbst eine Vergebung würde doch vorraussetzen, daß wir die Tat begangen haben, gegen Recht und Gesetz verstoßen haben.“ Bei den heute lebenden Deutschen könne davon keine Rede sein.