Wedemeier voll vor die Wand gelaufen

■ Auch SPD im Osten lehnt Senatsvergrößerung ab / Bitterer Brückner wirft blassem Wedemeier vor, einen „Scherbenhaufen“ angerichtet zu haben / Galgenfrist für Bürgermeister bis zum Landesparteitag am Samstag

Kurz vor Mitternacht saß am Dienstag ein blasser, sichtlich niedergeschlagener Klaus Wedemeier im großen Saal des Bürgerhauses Vahr. Einsam unter 200 Genossinnen und Genossen. Die Aufgabe, vor die ihn der SPD -Unterbezirksparteitag gerade gestellt hatte, beschrieb Wedemeier so: „Ich soll mit zehn Senatoren auskommen, aber möglichst noch ein eigenes Arbeitsressort einrichten. Ihr verlangt von mir, daß zehn plus zwei neun ist. Genossen, das kriege ich nicht hin.“

Viereinhalb Stunden hatten die Delegierten von fast 5.000 Bre

mer SozialdemokratInnen im Bremer Osten über die vom „Genossen Klaus“ vorgeschlagene Senatsumbildung diskutiert. Dann stimmten sie ab und ließen den Bürgermeister erbarmungslos auflaufen: Mit so deutlicher Mehrheit lehnten die Genossen die von Wedemeier vorgeschlagene Vergrößerung des Senats ab, daß selbst die unterlegene Fraktion sich den sonst bei jedem Geschäftsordnungsantrag fälligen Antrag auf Stimmenauszählung verkniff. Gleichzeitig verpflichtete der Unterbezirksparteitag Bürgermeister und Partei

vorstand, bis zum kommenden Samstag ein neues Konzept für die Umbildung des Senats vorzulegen. Dann soll der Landesparteitag das letzte Wort über den vielzitierten „Neuanfang“ der Bremer SPD und ihres Senats sprechen.

Nachdem bereits am Montag der SPD-Unterbezirk West Wedemeiers Pläne mit Pauken und Trompeten hatte durchfallen lassen, ist absehbar: Der Bürgermeister ist in der eigenen Partei gescheitert. Am Dienstag abend mußte Wedemeier sich von einem Juso-Delegierten erstmals aus

den eigenen Parteireihen seinen Rücktritt nahelegen lassen. Auf Beifall wartete der Delegierte für diese Forderung zwar umsonst. Umsonst allerdings versuchte Wedemeier auch die drohende Niederlage zu vermeiden. Inständig bat, bettelte und beschwor der Bürgermeister die Delegierten, ihm zumindest einen neuen Senator für die Trennung des Bau- und Umweltressorts zu genehmigen. Senatorin Evi Lemke-Schulte sei von dem Doppelressort schlicht überfordert, die Widersprüche zwischen Umweltschutz und Baupolitik seien innerhalb eines Res

sorts einfach nicht auszuhalten, die Fülle von Beiratsterminen nicht in einem Senatoren-Terminkalender unterzubringen. Wedemeier: „Die Zusammenlegung vor einem Jahr war ein Fehler. Das kann man aber Evi nicht anlasten.“ „Evi“ selbst sah es genauso: Die Senatorin, die bislang immer von der „Traumkombination Umwelt und Bau“ geschwärmt hatte, mochte plötzlich lieber heute als morgen für „keinen einzigen Quadratmeter Beton“ verantwortlich sein. Ihre Konsequenz: Nicht etwa ein neues Straßenkonzept mit weniger Beton, sondern ein neuer Bausenator. Gerüchte, sie spiele mit Rücktrittsgedanken, dementierte Lemke-Schulte gegenüber den Delegierten nachdrücklich: „Ich möchte bei unserem Neuaufbruch dabei sein - mit einem neuen Zuschnittt der Senatsressorts.“

Die Delegierten sahen es anders als Bürgermeister und Noch -Stadtentwicklungssenatorin.Sie bestanden darauf, sich bei der Strukturentscheidung für ein gemeinsames Ressort „etwas gedacht zu haben“. Und sie sahen nicht ein, bei „Müllwerkern, Krankenschwestern und Kindergärtnerinnen“ zu sparen, während der Senat sich einen Posten nach dem anderen genehmigt.

Gisela Fröhlich, Bürgerschaftsabgeordnete und Ortsvereinsvorsitzende der Hemelinger SPD: „Die Zusammenlegung der Ressorts war und ist unsere einzige Chance, den von uns gewollten Vorrang der Ökologie praktisch umzusetzen.“ Und der UB-Vorsitzende Armin Stolle mit Blick auf die angebliche Überforderung der Umweltsenatorin und die inzwischen erklärte Lustlosigkeit von Senator Kunick am Arbeitsressort: „Wenn Senatoren ihre Aufgabe nicht erfüllen, müssen sie vom gesamten Senat auf den Pott gesetzt werden. Nicht die Ressorts stehen dann zur Disposition, sondern ihre Leiterinnen oder Leiter.“ Ähnlich auch ein

verbitterter Ex-SPD-Partei vorsitzender Herbert Brückner beim ersten öffentlichen Auftritt nach seinem Rücktritt: „Es kann nicht angehen, daß Senatoren einfach erklären 'wir haben zu diesem oder jenem keine Lust mehr‘ und der Senat einfach mit Personalforderungen reagiert. Da steht die von der Partei beschlossene Zahl der Senatoren in Frage, da stehen einzelne Personen in Frage.“ Scharf ging Brückner auch mit dem Verfahren ins Gericht, mit dem der Bürgermeister die Senatsumbildung eingeläutet habe: „Was muß in diesem Senat für eine Katastrophenstimmung, Panik und Hektik geherrscht haben, daß alle Senatoren nach einer mehrstündigen Sitzung dem Bürgermeister erklären 'Klaus, Du kannst mit uns machen, was Du willst‘.“ Kaum sei die Partei durch eine telefonisch einberufene Krisensitzung darauf eingeschworen gewesen, Bernd Meyer als Innensenator zu halten, da sei der Bürgermeister ohne jede Rücksprache auf die Idee einer Senatsumbildung gekommen, bei der auch gleich die Ablösung von Fraktions- und Parteispitze mitbeschlossen worden sei. Brückner: „Klaus, das ist kein Neuanfang, das ist ein größerer Scherbenhaufen als vorher.“

Da half auch nichts mehr, daß Senator Franke, der sich offensichtlich längst damit abgefunden hat, sein Mammutressort weiterhin allein verwalten zu müssen, den Genossen in einem bühnen-und büttenreifen Auftritt klar zu machen versuchte, was die Delegierten sich gerade zu beschließen anschickten: Eine erklärtermaßen ungewollte Demontage (Armin Stolle: „Die wollen wir nicht“) ihres Bürgermeisters. Franke: „Genossen, ihr könnt eins nicht tun

-den Bürgermeister, der gerade den Aufbruch verkündet hat, zwingen, so weiterzumachen, wie bisher.“ Eine Viertelstunde später taten's die Genossen.

K.S.