Feier in der Paralyse

■ Anläßlich des 40jährigen Gründerjubiläums der FU diskutierten die ehemaligen APO-Vetranen Rabehl und Lönnendonker über die Unfreiheit der Freien Universität /„Autonomie verraten“

„Wie frei ist die Freie Universität?“ Dieser Frage widmete sich eine Veranstaltung des FU-AStA am Montag abend. Bei ihrer Beantwortung hielten sich die geladenen APO-Veteranen und Autoren von zwei soeben erschienenen Büchern zur politischen Geschichte der FU, Siegward Lönnendonker und Bernd Rabehl, jedoch gar nicht lange auf. Unstrittig war, daß die FU spätestens seit der Zersplitterung der Studentenbewegung sich in einem fortschreitenden Prozeß der Entdemokratisierung und des Autonomieverlustes gegenüber dem Staat befindet. Die Diskussion konzentrierte sich folglich auf die Analyse des Weges in die staatsverfaßte Professorenuniversität.

Nach Lönnendonker, wissenschaftlicher Leiter des Archivs „APO und soziale Bewegungen“ an der FU, nahm dieser Weg seinen Anfang bereits nach 1945, und zwar mit einem „zweifachen Verrat“ der Mehrzahl der Berliner Professoren an der universitären Freiheit: Als die Sowjets darangingen, die im Ostteil der Stadt gelegene Humboldt-Universität in eine Ausbildungsstätte für parteiergebene Kader umzuwandeln, und die Studenten - gerade dem Zwang des Nationalsozialismus entronnen - gegen die neuerliche staatliche Vereinnahmung protestierten, wurden sie von ihren Professoren alleingelassen. Diese suchten weiterhin das Arrangement mit der sowjetischen Militäradministration. Selbst als die Gründung der neuen Universität in der westlichen Besatzungszone mit einem bis dahin nicht gekannten Maß an Freiheit für Forschung und Lehre garantiert war, warteten die Professoren noch ab, bis ihnen die Amerikaner Lebenszeitstellungen mit Altersversorgung geschaffen hatten.

Der ihnen dabei abgerungene Kompromiß, so Lönnendonker, „lag ihnen schwer im Magen: Sie mußten dem 'Berliner Modell‘ zustimmen, mit dem das Engagement der Studenten belohnt wurde“. Diese erhielten Sitz und Stimme im Akademischen Senat, in dem zumindest in der Phase des „Gründungsgeistes“ noch das Konsensprinzip herrschte. Mit jeder Novellierung der Universitätsreform von 1969 jedoch stimmten die Professoren das studentische Mitspracherecht Stück für Stück nieder und verhökerten die Autonomie der Universität an den Staat. Das „Berliner Modell“ krankte nach Lönnendonker nicht zuletzt daran, daß die FU eine politische Gründung war, deren „einziges Prinzip der Antikommunismus“ war und blieb.

Rabehl, ehemaliges SDS-Vorstandsmitgleid, seit 1987 Professor für Soziologie in Brasilien, stellte seine Untersuchung vor als den „bescheidenen Versuch, FU -Geschichte in den Zusammenhang der Welt- und Deutschlandpolitik zu stellen“. So spannt er den Bogen von der Deutschlandpolitik Ernst Reuters über die APO als Antwort auf den in der Großen Koalition paralysierten Parteienstaat und ihr Scheitern am blinden Revolutionismus, von der Uni unter dem Primat von Karl Schillers Konjunkturpolitik bis hin zur Übernahme des APO -Vermächtnisses durch die nach 1969 an der Universität zurückgebliebenen Assistenten. Diese konnten zwar mit Kreibich erst- und letztmalig einen Nicht-Professor zum Präsidenten küren, doch begingen sie auf der Bundesassistentenkonferenz 1970 den entscheidenden Sündenfall: Leichtfertig stimmten sie der Auslieferung der Universität an die Kultusminister zu, die die Kompetenz für eine Hochschulrahmengesetzgebung übertragen bekamen. Rabehl: „Bayerische Universitäten konnten fortan Berliner Universitätsreformen bestimmen.“

„Mein Buch wird umso schlechter, je mehr ich an die Gegenwart komme. Mir fällt zur Uni von heute nichts mehr ein. Gefeiert wird die paralysierte Universität“, ist am Ende Rabehls etwas bitteres Fazit.

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Bernd Rabehl: „Am Ende der Utopie. Die politische Geschichte der Freien Universität Berlin“, Berlin (Argon) 1988, 29,80 Mark; Siegward Lönnendonker: „Freie Universität Berlin. Gründung einer politischen Universität“ Berlin (Dunker&Humbolt) 1988, 38 Mark.