Herr Ohnesorge, die Anwälte und der Geruch von Filz

■ Hessens Zeitungsverleger als Idealisten / Auch Hessen bekommt endlich Privatradio

Die Irritation der Anwesenden war perfekt. „Ich versteh‘ das nicht“, brachte einer die Stimmung auf den Punkt. „Keine Frequenzen, keine Räume, keine Leute, keine Erfahrungen, keine Werbeeinnahmen. Nichts als Ärger und Verdruß - und am Schluß ein Anwalt, der über die Anwaltskosten klagt.“ In der Tat war den etwa 40 Teilnehmern der am Dienstag zu Ende gegangenen Tagung Privater Rundfunk in Hessen Perspektiven des hessischen Privatfunkgesetzes in der Evangelischen Akademie Hofgeismar plötzlich völlig schleierhaft, wieso eigentlich die hessischen Verleger vorhaben, ein landesweites Privatradio in Hessen zu veranstalten.

Ausführlich hatte Gebhard Ohnesorge in Personalunion Geschäftsführer sowohl des Hessischen Zeitungsverlegerverbandes als auch der verlegereigenen „Funk und Fernsehen Hessen GmbH und Co KG“ (FFH), die Zukunft für Kommerzfunker in der Mitte der Republik in den düstersten Farben geschildert. Er rechne damit, sagte Ohnesorge unter dem Geraune des Fachpublikums, „etliche Jahre erhebliche Verluste“ einzufahren, ohne eine konkrete Umsatzprognose für den erwarteten Privatsender FFH zu nennen.

Sicher scheinen nur die für Anfangsinvestitionen nötigen acht Millionen und die darüber hinaus jährlich anfallenden 15 bis 20 Millionen Mark zu sein. Und das angesichts der Erwartung, nicht mehr als die Hälfte des gesetzlich eingeräumten Werberaums auch tatsächlich verkaufen zu können, zwanzig Prozent der Sendezeit nämlich. 35 journalistische MitarbeiterInnen soll FFH haben, „alle mit höchster Qualifikation“, wie Ohnesorge versicherte, der allerdings auch nicht ausschließen wollte, daß Redakteure der beteiligten Verlagshäuser nebenbei noch Berichte an FFH liefern werden. Übernahmen von Agentur-Beiträgen oder O -Tönen werde es auf keinen Fall geben. FFH werde nur Selbstproduziertes in den Äther lassen, versprach er.

Weitere inhaltliche Ideen scheinen die hessischen Verleger noch nicht entwickelt zu haben, denn „zur Zeit sind wir noch in der Phase, wo wir rumrennen und geeignete Räume in Frankfurt suchen“, klagte Gebhard Ohnesorge. Die Nachfrage, ob man da auch schon Orte für die im Gesetz vorgesehenen lokalen „Fensterprogramme“ suche, verneinte er.

Was immer also FFH vielleicht einmal senden wird, nicht alle Hessen werden in den Genuß davon kommen. Da der Gesetzgeber den Privaten nur „Rest-Rest-Frequenzen“ (Ohnesorge) zur Verfügung stelle, werde nur 65 bis 75 Prozent der Hessen ein Empfang ermöglicht, wohingegen der HR in 99 Prozent der hessischen Haushalte gehört werden kann. Grund genug für FFH, eigene Techniker durch die Lande zu schicken und nach Ausweichfrequenzen suchen zu lassen. Ob dem inzwischen Erfolg beschieden war, ist nicht bekannt.

Im Gegensatz zu den freien Journalisten an Tageszeitungen, denen die hessischen Verleger seit mehr als einem Jahrzehnt als einzige einen Tarifvertrag verweigern, werden die FFH -Mitarbeiter tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen vorfinden - auch das eine Überraschung in Hofgeismar. Die FFH setzt auf Seriosität und versucht ihr Privatfunkengagement als rein publizistisches Interesse darzustellen. Szenekenner gehen dagegen davon aus, daß die hessischen Verleger den regionalen Markt für Hörfunkwerbung abschöpfen und damit Großkonzernen wie Bertelsmann, Burda und Murdoch zuvorkommen wollen.

Die FFH gilt als aussichtsreichster Bewerber um die Vergabe der Lizenz für das von der CDU/FDP-Landesregierung vorgesehene landesweite Privtradio. Mitte kommender Woche soll der Landtag das lang erwartete Gesetz verabschieden. Nach Gründung einer Landesanstalt als Aufsichtsgremium und dem Lizenzvergabe-Verfahren könnte der neue Sender frühestens Ende 1989 in Betrieb gehen.

Doch bis dahin steht Gebhard Ohnesorge und seinen Freunden noch viel Widerstand ins Haus, wie der bereitwillig aus dem Nähkästchen plaudernde Ohnesorge erstmals öffentlich machte. So versuche der Hessische Rundfunk zwischenzeitlich, mit Prozessen und Abmahnverfahren um den Namen „Funk und Fernsehen Hessen“ dem befürchteten Konkurrenten Kosten zu verursachen. Durch den in dieser Sache auf eine Million Mark festgesetzten Streitwert koste jeder Anwaltbrief schon 5.000 Mark, sagte Ohnesorge, der selbst Rechtsanwalt ist. Das sei zwar empörend genug, meinte der Gebeutelte, aber daß der HR mit der Vertretung seiner Anliegen ausgerechnet die Kanzlei der Ehefrau von HR-Intendant Hartwig Klem beauftragt habe, „das riecht nach Filz!“

Thomas Österreicher