Stahlkrise „Modell“ für IGM-Strategie

Stahlkonferenz der Industriegewerkschaft Metall in Mülheim diskutiert „modellhafte“ Krisenbewältigung / Steinkühler hält Rheinhausenern „Verengung des Kampfzieles“ vor / Mehrarbeit ablehnen  ■  Aus Mülheim Walter Jakobs

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall (IGM), Franz Steinkühler, hat in einer Grundsatzrede auf der Stahlkonferenz der Gewerkschaft in Mülheim die Auseinandersetzung im Stahlbereich zur „Nagelprobe“ für die IGM erklärt. Die Krisenbewältigung im Stahlbereich habe „Modellcharakter für die gewerkschaftliche Strategiediskussion“. In Hattingen und Rheinhausen seien „neue Maßstäbe“ des gwerkschaftlichen Kampfes gesetzt worden.

Gleichzeitig hielt Steinkühler, dem in Rheinhausen immer wieder vorgeworfen worden war, den dortigen Arbeitskampf nicht ausreichend unterstützt zu haben, den Rheinhausenern vor, daß dort „die Erweiterung der Kampfformen an die Verengung des Kampfzieles“ gebunden geblieben sei. Der Erhalt des Alten habe im Vordergrund gestanden. Gleichwohl, so der IGM-Metall-Chef an seine Kritiker, sei der konstruierte Gegensatz zwischen Spitze und Basis „schlichtweg falsch“.

Inhaltlich scheinen sich in der Tat die Positionen im Grundsatz anzunähern. Während Franz Steinkühler am Mittwoch von der notwendigen „Synchronisation“ des „unvermeidlichen Abbaus“ mit der „rechtzeitigen Schaffung neuer Arbeitsplätze“ sprach, hieß es in einem Antrag der Rheinhausener Vertrauenskörperleitung an die Konferenz, daß Arbeitsplätze nur dann abgebaut werden dürften, „wenn Zug um Zug neue Arbeitsplätze geschaffen werden“. Zwar wurde der Antrag wegen anderer Passagen von Steinkühler abgelehnt, die Annäherung im Grundsatz war aber unübersehbar.

„Statt Sozialpläne Beschäftigungspläne“, den gewerkschaftlichen Druck für Ersatzarbeitsplätze nutzen, diese strategische Aussage zog sich wie ein roter Faden durch die Steinkühler-Rede. Dabei ging Steinkühler auch deutlich zu den betrieblichen IGM-Vertretern bei Hoesch und Thyssen auf Distanz, die wegen des Stahlbooms einen „Nachschlag von 1.000 Mark“ fordern. Damit, so der IGM-Chef, werde der „beschäftigungspolitische Spielraum aufs Spiel gesetzt“. Steinkühler forderte zugleich die von der IGM in die Unternehmensvorstände delegierten Arbeitsdirektoren und die IGM-Aufsichtsräte auf, sich aktiv für die Neuschaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen. In Rheinhausen seien angesichts des Stahlbooms „weitere Verhandlungen“ notwendig, mit dem Ziel, den Ein-Ofen-Betrieb bis zur Schaffung von genügend Ersatzarbeitsplätzen aufrechtzuerhalten.

Im Zentrum der teilweise erregt vorgetragenen Kritik am IGM -Vorstand standen am Mittwoch nicht die von Steinkühler formulierten Ziele, sondern der Mangel an Durchsetzungsstrategien. Immer wieder wurde der Rheinhausener Kampf als Beleg dafür genommen, daß der Vorstand eben nicht gewillt sei, mit aller Macht den Kampf zu koordinieren und voranzutreiben. Theo Steegmann, zweiter Betriebsratsvorsitzender in Rheinhausen, bemängelte - mit Blick auf den Vorstand - zwar das Fehlen der „übergreifenden Klammer“, hielt sich aber ansonsten mit Kritik weitgehend zurück.

Otto König, IGM-Bevollmächtigter aus Hattingen, machte für den Ausgang des bisherigen Kampfes vor allem die „Spaltung in betroffene und noch nicht betroffene Stahlbelegschaften“ verantwortlich. Solange die Devise „des einen sein Tod, ist des anderen sein Brot“ auch in den Köpfen vieler Stahlbetriebsräte verankert sei, seien künftige Niederlagen voraussehbar.