Botha begnadigt Sharpeville Six

Todesurteil in Haftstrafe umgewandelt / Südafrikanisches Appellationsgericht hatte kurz zuvor Berufung nach Wiederaufnahme des Prozesses abgelehnt / Nur Begnadigung konnte die sechs Schwarzen noch retten / Bundesregierung wollte nicht intervenieren  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Die „Sechs von Sharpeville“ sind vom südafrikanischen Präsidenten Pieter Willem Botha begnadigt worden. Das meldete gestern abend die amtliche südafrikanische Nachrichtenagentur 'SAPA‘. Die Todesurteile sind in langjährige Haftstrafen umgewandelt worden. „Das ist immer noch kein gerechtes Ende dieses Verfahrens“, sagte gestern Prakash Diar, ein Anwalt der Sechs.

Wenige Stunden zuvor hatte das Berufungsgericht von Bloemfontain eine Wiederaufnahme des Prozesses gegen die sechs Schwarzen abgelehnt. Ihnen wird die Beteiligung am Lynchmord eines schwarzen Kommunalpolitikers im Jahre 1984 vorgeworfen. Das Berufungsgericht ist die oberste juristische Instanz Südafrikas.

Neben den Sharpeville Six begnadigte Botha gestern abend auch noch drei weitere Schwarze und vier weiße Polizisten. Bei den Polizisten handelt es sich um zwei Angehörige einer Spezialeinheit, die 1986 einen jungen Schwarzen ermordet hatten sowie um zwei Drogenfahnder, die zwei schwarze Rauschgifthändler töteten. Für ihre Begnadigung hatten rechtsradikale Kreise in Südafrika eine Kampagne geführt.

Den Sharpeville Six war 1985 der Prozeß gemacht worden. Sie sollen sich im September 1984 am Lynchmord des schwarzen Vizebürgermeisters Jacob Dlamini in dem schwarzen Wohngebiet Sharpeville bei Johannesburg beteiligt haben. Dlamini war als Kollaborateur verrufen. Eine direkte Beteiligung konnte den Verurteilten nie nachgewiesen werden. Trotzdem wurden sie, weil sie bei den Unruhen im Township Soweto dabei waren, wegen „gemeinsamer Absicht zum Mord“ verurteilt.

Die Verurteilung der Sechs hatte in Südafrika und international zu scharfen Protesten geführt. Verschiedene westliche Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, hatten mit Sanktionen gedroht, falls die Sechs tatsächlich hingerichtet worden wären.

Nachdem eine Berufung gegen das erste Urteil endgültig gescheitert war und auch ein Gnadengesuch an Botha erfolglos blieb, sollten die Sechs am 18.März hingerichtet werden. Die Vollstreckung wurde ausgesetzt, nachdem die Verteidiger neues Beweismaterial vorgelegt hatten. Daraus ging hervor, daß einer der Belastungszeugen in dem Verfahren aufgrund von Polizeifolter Falschaussagen gemacht hatte. Fortsetzung Seite 2

Kommentar Seite 4

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Die 27jährige Theresa Ramashamola wäre die erste Frau gewesen, die aufgrund von politisch motivierten Taten hingerichtet worden wäre. Neben ihr handelt es sich um Francis Mokhesi (31), Reid Mokoena (24), Oupa Diniso (32), Duma Khumalo (28) und Mojalefa Sefatsa (32). Mit der Begnadigung der Sharpville Six und mehrerer weißer Polizisten will Botha offenbar sowohl einer internationalen Isolation Südafrikas entgegenwirken als auch die Rechtsradikalen Südafrikas integrieren.

Indessen bemühen sich Rechtsanwälte in Südafrika dringend, die für heute angesetze Hinrichtung des 24jährigen Paul Setlaba zu verzögern. Setlaba war im Dezember 1986 für den Mord einer Frau, die sich 1985 in der östlichen Kap-Provinz einem Konsumentenboykott widersetzt hatte, zum Tode verurteilt worden. Auch der Weltkirchenrat, der zur Zeit ein Treffen von Kirchenführern in Harare veranstaltet, richtete ein dringendes Gnadengesuch an Botha. Neben Setlaba sollen heute sechs weitere Männer in Pretoria hingerichtet werden.

Zur Zeit warten noch 285 zum Tode verurteilte Menschen darunter drei Frauen - in Pretoria auf die Vollstreckung ihres Urteils. Etwa 80 von ihnen sollen für politisch motivierte Taten mit dem Tod bestraft werden. Von 1983 bis 1987 wurden 627 Menschen in Südafrika hingerichtet. Bis Mitte Juli dieses Jahres waren offiziell 81 Menschen durch den Strang getötet worden.

Nicht zuletzt der Fall der „Sechs von Sharpeville“ hat inzwischen dazu geführt, daß Menschenrechtsorganisationen in Südafrika vehement die Abschaffung der Todesstrafe fordern.

Für die Bundesregierung besteht nach Aussage von Außenminister Genschers Pressesprecher Rainer Müller keine direkte Verknüpfung zwischen Sanktionen gegen Südafrika und dem Prozeß gegen die Sharpeville Six. Deshalb wollte die Regierung erst einmal abwarten, sagte Müller gestern, wie Botha sich entscheidet, bevor eine Verschärfung der Sanktionen erwogen wird. Das EG-Parlament hatte im Frühjahr eine Verschärfung für den Fall beschlossen, daß die Sharpeville Six hingerichtet würden. Nach der Bekanntgabe der Ablehnung durch das Appellationsgericht hielt es die Regierung nach den Worten des AA-Sprechers für verfrüht, über Appelle hinaus konkrete Maßnahmen zu ergreifen.

Daß die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch im Falle der acht vor wenigen Tagen des Hochverrats für schuldig befundenen Antiapartheidsaktivisten nicht aktiv wird, begründet der AA-Sprecher mit der „internationalen Übung, sich nicht in laufende Verfahren einzumischen“. Eine Reaktion der Bundesregierung hängt in diesen Fällen auch davon ab, ob die Angeklagten weitere Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werden. Allgemein besteht die Möglichkeit, daß die Bundesregierung in diesen Zusammenhang ihre ablehnende Haltung gegenüber der Todesstrafe deutlich macht.