Lange Finger, krumme Dinger

■ In der Vorweihnachtszeit haben Diebe Hochkonjunktur

Vorweihnachtszeit: Gedränge auf den Straßen, Geschubse in den Kaufhäusern. Alle sind im Streß für die Lieben, die beschenkt sein wollen. Es wird gekauft, was das Portemonnaie hergibt - meistens. Denn es gibt auch andere „Lebenslagen“: „Woher nehmen, wenn nicht stehlen“, mag sich so manch eine/r denken. Weihnachten, das ist nicht nur das Fest der Liebe, sondern auch der Ladendiebe. Die Beschaffungskriminalität hat jetzt Hochkonjunktur, und die Deliktkurve steigt an - in all ihren Sparten, angefangen beim simplen Ladendiebstahl. Pikant hierbei: Die Kaufhäuser geben das nicht zu. So sagte gestern der Sprecher von Karstadt-Kreuzberg, Herr Weyer: „Da unser Haus zu dieser Zeit immer gut besucht ist, fühlen sich die Leute beobachtet. Dann passiert eher weniger.

Doch das darf angezweifelt werden. Laut Kriminalstatistik steigt vor Weihnachten der Klau vom Ladentisch um rund 20 Prozent. Die Aufklärungsquote der gemeldeten Diebstähle ist fast so hoch wie die Dunkelziffer. Von den 22.127 angezeigten Taten im Jahr '87 konnte in 86 Prozent der Fälle erfolgreich ermittelt werden. Nach Schätzungen verschwinden jährlich weit über zwei Millionen Konsumgüter, vom Kaugummi bis zur Stereoanlage. Immer mehr im Trend liegen hierbei hochwertige Konsumartikel. Karstadt-Weyer: „Ganz besonders müssen wir auf Lederjacken, Pelze, überhaupt alle teuren Kleidungsstücke aufpassen. Auch aus den Rundfunk- und Fernsehabteilungen wird weit mehr gestohlen als beispielsweise am Bonbon-Stand.“

Auch das Geschäft mit dem Mitleid blüht im November und Dezember: Haustürwerber schwärmen für „einmalige“ Spendensammlungen aus. Doch bei den meisten Sammlern, die etwas im Treppenflur feilbieten, ist äußerste Vorsicht geboten. Unterschiedliche Vereine, die sich zum Beispiel „Förderkreis für Herz- und Kreislaufhilfe“ oder „Afrikahilfe“ nennen, haben neue Tricks. Eine unterschriebene Spendenbescheinigung entpuppt sich plötzlich als Jahresbeitrag, der vom Konto des neuen Vereins-Mitglieds abgebucht werden soll.

Pünktlich zur Kerzen-Zeit treten auch verstärkt Vertreter von Schwindelfirmen, die angebliche Blindenwaren verkaufen, auf den Plan. Ausgestattet mit einem Phantasieausweis bieten sie Seifen, Reinigungsmittel, Bürsten, Flecht- und Webwaren mit der unwahren Behauptung, diese Sachen seien von Blinden hergestellt, zu überteuerten Preisen an. Merke: Wirklich von Blinden gemachte Sachen lassen sich am geschützten Zeichen erkennen - zwei Hände, die nach der Sonne greifen. Langfinger, die es auch auf Portemonnaies und Brieftaschen abgesehen haben, haben jetzt Konjunktur. Sie lauern überall auf ihre Chance, insbesondere auf Rolltreppen. Darum: Gedränge wünscht sich nur der Taschendieb.

Hosch