EG bremst erneut abgasarme Kleinwagen

■ Töpfer bringt Kompromiß-Aufguß nach Hause / Politische Entscheidung auf den Europäischen Gerichtshof abgeschoben

Brüssel (taz) - Für dicke Luft sorgte im Brüsseler EG -Umweltministerrat am Donnerstag erneut das Gerangel um einheitliche Abgaswerte für Kleinwagen bis 1,4 Liter Hubraum - ein Drama in Fortsetzung: Im Juni hatten sich die Minister in Luxemburg nach langem Hin und Her auf eine Reduzierung der Kohlenmonoxide auf 30 Gramm pro Test, bzw. bei Kohlenwasserstoff und Stickoxid auf acht Gramm pro Test (30/8) geeinigt. Diese laschen Werte - sie sind doppelt so hoch wie die in den USA und Japan schon seit Mitte der 70er Jahre geltenden - sollten erst 1992/93 in Kraft treten. Selbst dieser „Wischi-Waschi-Kompromiß“, so Umweltschützer damals, ging der französischen Autoindustrie noch zu weit: Auf deren Druck ließ Paris den Beschluß vier Wochen später wieder platzen.

In Ignoranz des Europäischen Parlamentes, das deutlich niedrigere Werte (20g/8g) fordert, wärmten die Minister gestern den Luxemburger Kompromiß wieder auf: Zwar lag bei Redaktionsschluß noch kein förmlicher Beschluß vor; hinter verschlossenen Türen bahnte sich jedoch eine politische Einigung an. Bundesminister Töpfer hatte vormittags signalisiert, dem lieben Konsens willen die von Bonn angestrebte steuerliche Begünstigung für solche Kleinwagen, die strengere Normen erfüllen, aufzugeben. Frankreich und Spanien sahen darin eine unzulässige Wettbewerbsbehinderung. Ursprünglich war von Töpfer ein Beharren auf der Steuerbegünstigung erwartet worden: Wäre der Kompromiß darüber geplatzt, wäre er wenigstens als aufrechter Umweltverteidiger, sein Pariser Kollege als Buhmann nach Hause geflogen. In der Mittagspause verkaufte Töpfer Journalisten den Luxemburger Kompromiß jedoch als „Schritt nach vorn in der europäischen Luftreinhaltepolitik“.

Konsequent gibt sich hingegen die Regierung in Den Haag: Nach Beschlüssen von Kabinett und Parlament werden in den Niederlanden schon ab dem 1.1.1989 Kleinwagen, die den strengen US-Abgasnormen (12g/4,5g) genügen, steuerlich stark begünstigt. Holland beruft sich auf die Einheitliche Europäische Akte, wonach schärfere einzelstaatliche Normen ausdrücklich „durch wichtige Erfordernisse (...) des Umweltschutzes gerechtfertigt sind“. Nun wird eine Klage der Brüsseler EG-Kommission gegen Holland beim Europäischen Gerichtshof erwartet. Dessen Urteil will Bonn vor weiteren Schritten in Sachen Steuerbegünstigung abwarten. Damit wird eine umweltpolitische Grundsatzfrage an die EG-Richter abgeschoben und Holland als Testläufer im sauren Regen stehen gelassen.

Thomas Scheuer