SPD stimmt gegen Wehretat

■ Verteidigungsausgaben über 53,28 Milliarden beschlossen / In der Haushaltsdebatte geriet Rita Süssmuths Familienministerium in den Mittelpunkt / Arbeitsminister Norbert Blüm verteidigt seinen „Sparhaushalt“

Berlin (taz/ap) - Im kommenden Jahr stehen für die Landesverteidigung 53,28 Milliarden und zur Unterstützung der alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik weitere 1,81 Milliarden Mark zur Verfügung. Der Bundestag nahm gestern gegen die Stimmen der Opposition den Haushalt von Verteidigungsminister Rupert Scholz an, der nach dem Sozialetat der zweitgrößte Ausgabenposten des Bundes ist.

Bei der Abstimmung über die Verteidigungslasten stimmten die Sozialdemokraten mit der Koalition. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Rudi Walther (SPD), machte allerdings darauf aufmerksam, daß seine Parteifreunde den Einzelplan 35, aus dem auch Kosten für militärische Übungen der Alliierten finanziert werden, künftig nicht mehr mittragen würden, wenn die Verbündeten auf deutschem Boden weiter „Manöverterrorismus“ betrieben.

Alfred Mechtersheimer von den Grünen sprach von einer zweiten Nachrüstung und erklärte, die „potentiellen Eichmänner des nuklearen Holocaust“ modernisierten die Massenvernichtungsmittel.

Waltraud Schoppe brach eine Lanze für die CDU-Politikerin aus dem Bonner Machtapparat. Die grüne Bundestagsabgeordnete „weigerte“ sich gestern in dem Debattenbeitrag über die Politik Rita Süssmuths, „an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt Attacken zu reiten“ gegen die zurückgetretene Familienministerin, „die im Kabinett in einem Meer der Ignoranz watete“.

Die Beratungen über den Haushalt 1989 waren beim Thema Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu einer Generalaussprache über die Professorin geworden, die in Kürze Bundestagspräsidentin werden soll.

„Gewiß, sie hat Niederlagen eingesteckt“, räumte auch Schoppe ein, es sei ihr jedoch „gelungen, bis weit in das bürgerliche Lager hinein Bewußtseinsprozesse für Frauenfragen in Gang gesetzt zu haben, die unverkennbar sind.“ Tragisch findet es die Grüne im Hinblick auf Süssmuths neues Amt, „daß eine Frau aus Pflichtbewußtsein in typischer Frauenmanier nicht Nein sagen konnte“. Damit habe sie „eine Machtposition aufgegeben“.

Arbeitsminister Norbert Blüm wehrte sich in der Aussprache über seinen Sozialetat dagegen, diesen als „Sparhaushalt“ zu bezeichnen. Er wachse schließlich 1989 um 9,5 Prozent, mehr als 14 Milliarden Mark gebe sein Haus für Arbeitsmarktmaßnahmen aus. 1982, unter der SPD-Regierung, seien es nur 6,9 Milliarden gewesen.

Ein paar einfallsreiche Töne sind allerdings auch von den Sozialdemokraten zu vernehmen, wenn sie für die Renten eine andere Finanzierungsform vorschlagen, die über eine Verringerung der Lohnnebenkosten die Arbeitgeber zu mehr Neueinstellungen motivieren soll.

In der SPD wird offenbar über Schritte in Richtung auf eine Maschinensteuer nachgedacht: Es sei zu untersuchen, ob der Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung wegen der zunehmenden Technisierung auf eine neue Grundlage gestellt werden und nicht mehr nur nach der Lohn- und Gehaltssumme, sondern auch nach der Wertschöpfung berechnet werden müßte.

-ulk