Nach Begnadigung wieder fünf Justizmorde am Kap

Weltweit positives Echo auf Bothas Entscheidung, die „Sechs von Sharpeville“ vor dem Henker zu bewahren / Am Tag danach fünf Schwarze in Pretoria gehängt  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Wenige Stunden nach der Begnadigung der Sharpeville Six wurden gestern früh Bothas Henker wieder aktiv: Im Zentralgefängnis von Pretoria ließ das Rassistenregime fünf Schwarze, wegen Vergewaltigung und Mord verurteilt, hinrichten.

Die ebenfalls geplante Exekution des 24jährigen Paul Setlaba wurde dagegen verschoben. Er war wie die „Sechs von Sharpeville“ wegen „gemeinsamer Absicht zum Mord“ verurteilt worden. Setlaba hatte angeblich als Mitglied einer Menschenmenge im Laufe eines Konsumentenboykotts eine Frau gelyncht. Der Weltsicherheitsrat hatte am Mittwoch zur Begnadigung Setlabas aufgerufen. Über den anderen Mann, der eine Aufschiebung der Vollstreckung erreichen konnte, waren keine Einzelheiten bekannt.

Die Begnadigungen der „Sechs von Sharpeville“ wurden in Südafrika und international begrüßt. Die gleichzeitige Begnadigung von vier wegen Mordes von Schwarzen zum Tode verurteilten weißen Polizisten wurde jedoch zum Teil heftig kritisiert. Prakash Diar, Anwalt der sechs, sprach von einem „politischen Tauschgeschäft“, zu dem seine Klienten mißbraucht wurden. Menschenrechtsgruppen forderten indessen die Begnadigung der übrigen 261 Menschen, die noch in Südafrika auf die Hinrichtung warten.

Die „Sechs von Sharpeville“ müssen nun langjährige Haftstrafen zwischen 18 und 25 Jahren absitzen. Ihre Begnadigung kam nur wenige Stunden, nachdem das Berufungsgericht in Bloemfontein eine Wiedereröffnung des Verfahrens gegen die sechs abgelehnt hatte.

Auch die Polizisten werden zwischen 15 und 25 Jahren im Gefängnis verbringen. Zwei der Polizisten, die Mitglieder einer Sondereinheit zur Kontrolle von Unruhen, Leon de Villiers und David Goosen, hatten nach einem Trinkgelage einen schwarzen Jugendlichen in der östlichen Kapprovinz verhaftet und systematisch zusammengeschlagen. Als ihnen klar wurde, daß sie den Verletzten nicht ohne weiteres freilassen konnten, hatten sie ihn erschossen und seine Leiche in einen Fluß geworfen.

Die beiden anderen Polizisten waren Detektive in der Rauschgifteinheit der Polizei in Johannesburg. Hendrick La Grange und Robert van der Merwe waren für den vorsätzlichen Mord von zwei angeblichen Rauschgifthändlern in Johannesburg zum Tode verurteilt worden. Für die Morde wurden sie von einem Rivalen der Ermordeten bezahlt. Zu ihrer Verteidigung hatten die beiden Polizisten angegeben, daß die Ermordeten ihrer Meinung nach Unterstützer des verbotenen „Afrikanischen Nationalkongresses“ (ANC) waren. Deshalb sei eine Ermordung ohne Gerichtsverfahren gerechtfertigt. Drei weitere, bisher unbekannte Männer, Ajay Sookay, Shadrack Nyati und Shadrack Masuko, wurden ebenfalls begnadigt.

Ultrarechte neonazistische Gruppen hatten sich vehement für die Begnadigung von Van der Merwe und La Grange eingesetzt. Eine Petition mit mehr als 100.000 Unterschriften war Botha vor wenigen Monaten vorgelegt worden. „Der Präsident hat es geschafft, gleichzeitig die Rechte und die Linke zu befrieden,“ sagte Professor John Dugard, Leiter des Johannesburger Fortsetzung Seite 2

Kommentar Seite 4

Instituts für angewandte Rechtsstudien, über die Begnadigungen. Botha habe so schnell eingegriffen, um zusätzlichen diplomatischen und internen Druck zu vermeiden, fügte Dugard hinzu.

Rechtsanwalt Diar kritisierte die Verbindung der „Sechs von Sharpeville“ mit den weißen Polizisten. Er sprach von „gemischten Gefühlen“ nach Bekanntwerden der Begnadigungen. Die „Sechs von Sharpeville“ wurden für den Lynchmord eines schwarzen Stadtrates zum Tode verurteilt, obwohl die Gerichte ihnen keine direkte Beteiligung an dem Mord nachweisen konnten. Aber als Mitglieder der Menschenmenge, die den Mord verübte, wurden sie der „gemeinsamen Absicht“ zum Mord überführt. Die Polizisten hatten andererseits die vorsätzliche Ermordung ihrer Opfer zugegeben. Diar außerdem: „Wir sind schockiert, daß sie so lange Haftstrafen absitzen werden müssen.“