Huhn im Avantgardemusiktakt

■ BLUEBOX zeigt heute um 21 Uhr 15 ungarische Kunst-Video-Clips aus dem Bela-Balazs-Studio im Cafe Grün/ Kunst Hors d'oeuvre zum Pußta-Gulasch

Ich habe sie fast alle wieder vergessen: 15 winzigkleine Videos zwischen 1 1/2 und neun Minuten, Fiidjo auf Ungarisch. Das macht aber nichts. Sie kommen alle ohne Sprache aus. Genau das ist es, was mich ärgert.

Videos gehören auf einen Monitor, sagt Birgit Johannsmeier

von BLUEBOX, der Jeden-dritten-Samstag-im-Monat-Kunstvideo -Reihe im Cafe Grün. Das ist anders als im Kino. Alles bleibt klein. Du mußt hingucken und kannst Dich nicht erschlagen lassen. Schade. Chips gab's auch nicht. Es ist also auch anders als Fernsehen.

Es ist überhaupt in erster Linie anders, was einem da in 15 niedlichen Happen als 1985-88 Retrospektive des Bela Balazs Studios Budapest um die trägen Äuglein gehauen wird. Kurz und komisch und gar nicht zum Lachen. Bilder im Bild, verkleckste Pantoffeltierchen als Hintergrund für eine Art Kunst-Minimal-Comic, Doing-Fffhhiii-Grxxx oder so (also Comicsprache auf Ungarisch) vor leicht bedüdelter Kunst-Kamerafahrt, Hühner im Avantgardemusiktakt, Bäume und Autos und Obst einmal ganz anders beguckt.

Von so viel Anderem ist man abschließend leicht lull im Kopfe. Der Kollege vom Weser-Kurier spricht von altersbedingtem Konservativismus. Der Kollege scheint ganz in Ordnung, bloß die Videos aus Ungarn sind Kunst, also aus tiefster Seele ungemütlich. Nichts als Scherereien. Das bildet.

Es beginnt mit einem Ausschnitt aus einem mehrstündigen Werk zum Thema „One Day on the TV“. Man ahnt es schon: Eine Art Fußballballett ohne Fußball, aber mit Anliegen, ein Scratch-Video, erklärt BLUEBOXs Jutta Beyrich. Damit hört es auch wieder auf, nach 56,12 Minuten ohne wirklichen Sinn und Verstand. Titel wie „Auto“, „Big Market“, „Feder“, „Etüde“ halten, was sie versprechen, experimentalkunstkonventionelle Langeweile also: nicht mal ein klitzekleines narratives Struktürlein, kein grober Scherz, keine Hallo-hier-bin-ich

Botschaft. Alles subtil, zartgliedrig und fein anstrengend.

Video in Ungarn: Während die MAFILM (Vereinigung der ungarischen Filmstudios in Budapest) noch in den 70ern eine von der UNESCO gestiftete U-matic-Anlage nach Jahren leicht verstaubt dem Landes-Erziehungsinstitut vermachte, weil niemand damit arbeiten mochte, kam in den 80ern das Videofieber über Ungarns Filmer: MAFILM er

warb mit Müh und Not und teuren Devisen erneut eine Videoanlage, minderer Qualität. 1980 gründete Video -Revolutionär Gabor Body die Kunstvideo-Gruppe K -Stern,'85 machte eine 3/4 Zoll Videoausrüstung das Bela Balazs Studio Budapest zum Videozentrum Ungarns. Wer neugierig ist auf Ostblock-Clips, geht also heute ins Cafe Grün. Erst die Kunst und hinterher ein Pußta-Gulasch.

Petra Höfer