SPD fühlt sich bespitzelt

■ SPD-Vertreter verließen die PKK / Vorwurf: Verfassungsschutz habe Pätzold bespitzeln lassen / Interview mit dem Beschuldigten auf Seite 26

Am späten Donnerstag abend kündigten die beiden SPD -Vertreter in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) während der Abgeordnetenhaussitzung an, daß sie das Gremium zur Kontrolle des Verfassungschutzes verlassen werden. Hans -Georg Lorenz begründete den Auszug damit, daß dort weder die Rolle des Verfassungsschutzes im Mordfall Schmücker, noch andere Fragen geklärt werden konnten. In zwei bedeutsamen Fällen hätten CDU und FDP-Vertreter durch ihr Verhalten Aufklärung verhindert. Der Senat sei nie von sich aus seiner Berichtspflicht nachgekommen.

Lorenz berichtete, daß Akten über einen Journalisten „einer großen deutschen Wochenzeitung“ vernichtet wurden, obwohl die PKK deren Vorlage verlangt hatte. Dies sei auch im Protokoll der Sitzung so festgehalten. Der Vorsitzende der PKK, Rolf-Peter Lange (FDP) sagte dagegen, es habe keine Vernichtung einer Journalisten-Akte gegeben.

Als „absoluten Höhepunkt“ bezeichnete Lorenz, daß der Verfassungsschutz dem SPD-Abgeordneten Erich Pätzold insgesamt dreimal einen „verurteilten Gewalttäter“ vorbeigeschickt habe, um ihn auszuhorchen. Pätzold ergänzte später, er habe nach jedem Besuch des jungen Mannes den Innensenator informiert. Er wisse, daß der während der IWF -Tagung in einem Schnellgerichtsverfahren Verurteilte nach jedem seiner Besuche Bericht erstattet habe.

Hans-Georg Lorenz sagte gestern auf Anfrage, die Informationen der SPD seien „hundertprozentig sicher“. Sie bezögen sich auf vier unterschiedliche Quellen, von deren Glaubwürdigkeit er überzeugt sei.

Als Quelle in Frage kommen eigentlich nur das Verfassungsschutzamt selbst, die Innenverwaltung oder der Justizapparat.

Innensenator Kewenig bezeichnete diese Beschuldigung als „von vorn bis hinten... erfunden und erlogen“. Das brachte ihm nun seinerseits den Vorwurf von Pätzold ein, er habe „kaltschnäuzig“ und „wider besseren Wissens“ geleugnet, jemanden mit einer „Tarn-Story“ ausgestattet (Fortsetzung auf Seite 26)

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bei ihm vorbeizuschicken. Die SPD-Fraktion beantragte gestern, diesen Vorfall als ersten Tagesordnungspunkt für die Innenausschußsitzung am Montag vorzusehen. Dazu sollte auch der Verfassungsschutzchef anwesend sein. Der solchermaßen Beschuldigte, der zum letzten Mal am Donnerstag zu Pätzold ging, hatte vorher die taz darum gebeten, seine Angaben zum Verlauf des Schnellgerichtsverfahrens zu veröffentlichen. Er sei erst zu Beginn des Jahres aus der DDR nach Berlin (West) gekommen. Daß er mit einer Bewährungsstrafe vergleichweise milde verurteilt wurde, erklärte er damit, daß er sich mit dem Staatsanwalt auf einen „Deal“ eingelassen habe. (Siehe auch Interview von Radio 100). Belege für ihre Behauptungen mochte die SPD gestern nicht bekanntgeben. Sie seien in einem Brief des Fraktionsvorsitzenden Momper in einer 13seitigen Anlage aufgeführt. Senatssprecher Fest erklärte, der Regierende Bürgermeister habe den Brief inzwischen beantwortet. Zum Inhalt wollte er keine Angaben machen.

RiHe