„Dann laßt doch die Finger weg“

■ Gespräch mit Peter Püschel von Greenpeace zu der Rohstoff-Konvention der Antarktis-Staaten „Schizophrene Passagen“ in dem Abkommen enthalten / Das Moratorium für den Rohstoff-Abbau muß bleiben

taz: Für die Antarktis ist der 25. November ein historischer Tag. Gestern hat in Neuseeland die Zeichnung des Vertrages über den Abbau von Rohstoffen begonnen.

Peter Püschel: Ende Mai ist von den Antarktis-Delegationen der Text für das Rohstoff-Abkommen paraphiert worden und jetzt muß diese Konvention innerhalb eines Jahres vom 25. November '88 bis zum gleichen Datum des nächsten Jahres von den Regierungen der Antarktis-Länder unterzeichnet werden. Danach soll als nächster Schritt der Vertrag Gesetzeskraft erhalten.

Wie schätzt Greenpeace diese Rohstoff-Konvention ein?

Die Konvention fördert die Rohstoff-Ausbeutung in der Antarktis. Länder und Industrien werden mit diesem Vertragswerk im Grunde ermutigt, in der Antarktis nach Rohstoffen zu suchen und sie gegebenenfalls auch abzubauen. Bisher gab es keine Regelung, Rohstoffe aus der Antarktis zu holen und jetzt liegt eben ein Text vor, der diesen Abbau regelt und befürwortet.

Gleichzeitig wird der Schutz der Ökologie in dieser Konvention sehr hoch gehängt. Es sind weitreichende Forderungen enthalten.

Das ist zunächst auf dem Papier richtig. Aber die weitreichenden Forderungen sind in ihrer Art schizophren. Ich möchte mal ein Beispiel nennen. In der Konvention wird verlangt, daß nach einem Eingriff der ursprüngliche Zustand der Natur wieder hergestellt werden muß. Das ist ein Unding. Man gibt etwas zur Zerstörung frei mit der Bitte, daß hinterher von dieser Zerstörung nichts zu sehen sein soll. Wenn eine Pinguin-Kolonie vernichtet wird oder wenn Öl austritt, das unter den extremen Witterungsbedingungen der Antarktis nicht zersetzt wird und ewig lange die Umwelt belastet, wie will man dann den ursprünglichen Zustand wiederherstellen?

Könnte diese Konvention nicht dennoch ein Hebel sein, um die Antarktis zu schützen. Wenn man einzelne Passagen beim Wort nimmt, wäre ein Rohstoff-Abbau kaum mehr möglich.

Wir müssen erreichen, daß dieses Abkommen erst gar nicht in Kraft tritt. Das Positive dieses Abkommens ist das damit verbundene Moratorium. Bis das Abkommen in Kraft tritt, bleibt die Antarktis geschützt. Unser Ziel ist es, daß aus dem vorübergehenden Moratorium ein festes wird. Auch die Vertragsländer argumentieren ja, daß eine Rohstoff -Ausbeutung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht machbar ist und daß hier noch 20 vielleicht 100 Jahre ins Land gehen. Aufgrund von solchen Aussagen fordern wir: Dann laßt doch jetzt die Finger weg von der Antarktis. Durch die Klima -Diskussion wird die Antarktis ohnehin bald sehr viel sensibler betrachtet.

Gibt es unter den Antarktis-Staaten einzelne Länder, die zu einem längerfristigen Moratorium bereit wären?

Bisher haben alle betroffene Länder „ja“ gesagt zu der Konvention. Es sieht also nicht sehr günstig aus. Es kommt allerdings darauf an, wie die jeweiligen Parlamente das Abkommen diskutieren werden. Nach der Zeichnung des Abkommens beginnt die eigentliche Ratifizierungsrunde, und dann müssen bei uns der Bundestag, aber auch die Bundesländer zustimmen.

Welche Rolle hat die Bundesrepublik in diesem Antarktis -Konzert gespielt?

Die Bundesrepublik hat die Fertigstellung dieser Konvention maßgeblich vorangetrieben. Sie ist in keiner Weise für ein längerfristiges Moratorium eingetreten, geschweige denn für ein grundsätzliches Verbot des Abbaus oder für unsere Forderung nach einem geschützten Weltpark.

Nun steht die Rohstoff-Ausbeutung ja nicht heute und morgen an. Gibt es noch genug Zeit für die Wende in der Antarktis?

Es wird natürlich behauptet, daß die Technologien noch nicht da sind und daß der Abbau von Rohstoffen nicht wirtschaftlich ist. Aber der ökonomische Faktor ist natürlich leicht zu verändern. Der Erdöl-Preis kann nach einer politischen Krise stark ansteigen, und dann wäre auch die Öl-Gewinnung in der Antarktis plötzlich wirtschaftlich. Daß an Abbau-Technologien gearbeitet wird, die noch in diesem Jahrhundert zur Verfügung stehen, ist kein Geheimnis. Das alles macht uns sehr viel Angst.

Interview: Manfred Kriener