HAIR-STYLE-LIFE

■ Party-Friseure in Kreuzberg

In einer Fabriketage der Cuvrystraße, bei hohem Wellengang der Spree, stand gegen halb zwölf auf der Hairspree -Party die Schickeria plappernd und wirklich wichtig im Weg rum.

Im Parterre lauerte ein Party-Service mit Hühnerkeulen dem Appetit der knallrot geschminkten Mäuler auf, etwas weiter war das Durstlösch-Geschwader mit Sektpullen konstant im Einsatz. Die Preise und die Köpfe hatten sich gewaschen. Von schweren Parfümschwaden unterschiedlichster Marken sowie den sorglos in die Atmosphäre gezischten Haarlacke und -fixierer (teilweise Treibgasdosen) leicht benebelt, taumelte ich in jene Ecke, wo einige Frisiersalons ihre Modelle auf die folgende Show äußerlich vorbereiteten. Matte Teints, farbig umrandete Augen, Geschniegelte und Gestriegelte argwöhnten vor „Norbert & Theos“ Stand, wie aus der unscheinbarsten Durchschnittsbraut eine knallig-bunte Diva gezaubert wurde. War das Geschöpf dann bis zur Unkenntlichkeit dekoriert, legte ein anderer den Kamm an. „Milan“ zeigte mehr Realitätssinn: Eine Frau schnippelte und stutzte dezenteren Mädchen die mit der Sprühpistole angefeuchteten Mähnen und legte ein leichtes Make-up an. Genauso be-scher(t)e Joe von „Just Hair“ seinen Alltagsmodellen tragbare Schnitte statt penetranter Extravaganz. Einzig „Starschnitt“ und „Narziß“ konstruieren Bizarres. Während die ersteren den strähnigen Gigantismus schon durch ihre Mitarbeiter repräsentierten, plusterten die Frauen von „Narziß“ die Haar-Schöpfung mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln auf. Sie stylten sich und anderen Freiwilligen die futuristischsten Haar -Kreationen, die in ihrem Laden sonst nicht gefragt sind.

Die Glotzer und Gaffer versammeln sich dann im ersten Stock. Bei Funky-Music, aufgemotzter Menschenmasse und Trümmerambiente kommt New Yorker Koka-Party-Feeling auf. Blasiertes Amüsement und gesehen werden steht an erster Stelle. Um 1.45 Uhr schickt Joe seine Tanten auf den Laufsteg. Von Präsentation keine Spur, die Frauen teilweise mit durch Alkohol hervorgerufenem Mut zum Auftritt ausgestattet - quälen ihre Körper mit Bewegungen zwischen Tanz und Veitstanz und rempeln sich gegenseitig um. Aber die zahlenden Gäste sind nicht dumm und reagieren mit Buhen und Pfeifen. „Narziß“ legen noch den kreativsten Auftritt mit ihren Rapunzel- und fabelhaften Frisuren hin. „Norbert und Theo“ und „Starschnitt“, orientieren sich zwar an den konventionellen Modeschauen, bloß können ihre Modelle weder laufen beziehungsweise Mode präsentieren. „Milan“, von der Lack- und Gummiboutique „Schwarze Mode“ mit knautschig-engen Kleidern ausgerüstet, veranstaltet als Finale mit aufgedonnerten rothaarigen Walpurgen einen Hexensabbat. Kam nicht schlecht, der Konfettiregen.

Draußen wartet schon die Polizei wg. Ruhestörung. In der Schlesischen Straße winkt mir dann im Vorbeifahren ein Wachtmeister zu: „Wir gehen wieder. Tschühüs!!“ Auf der Skalitzer Ecke Wrangelstraße sucht eine kleine Gruppe 50 bis 60jähriger in voller Geckenmontur inklusive Narrenkappe ein Fortbewegungsmittel. Das abseits bibbernde Paar in Glitzeruniform ist das Kasseler Karnevalsprinzenpaar, wie sich rausstellt. Endlich kommt das Taxi.

Connie Kolb