Swinging Metropolis

■ 7. Neue Sounds

Anläßlich der Pariser Weltausstellung 1867 berichtet der Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick von einer „nur 14 Mann starken Fanfare“, dirigiert vom „berühmten Instrumentenmacher Sax“. Wenngleich er bekennen muß, niemals „ähnliche Kunststücke auf Blas-Instrumenten gehört zu haben“, sieht er dennoch „blendendes Unheil“ für die Kunst nahen: „Die Sax'schen Blech-Instrumente, an sich vortreffliche Mechanismen, haben zwei unheilvolle Consequenzen im Gefolge: einmal verleiten sie die Componisten zu einer bravourmäßigen, entartenden Behandlung der Harmonie, sodann verdrängen sie allmälig ältere typische, in ihrem Klang unersetzbare Instrumente. Nicht nur sind Oboen und Fagotte bereits aus den französischen Militärmusiken verschwunden, auch die Hörner werden bereits durchwegs mit Sax-Horn oder Saxo-Tromba ersetzt...“

So isses mit die epochemachenden Sachen; „Consequenzen“, immer „unheilvoll“ für irgendwen, folgen auf dem Fuße. Wollen wir Hanslicks Prophezeiung bewußt fehlinterpretieren, schließt sich auch der Kreis der „entartenden Behandlung“. 1935 wird ein gewisser Dr. Walter Hochschild unter dem Titel: Was ist Niggerjazz? versuchen, ideologische Unsicherheiten auszuräumen: „Ein Blick in die deutsche Musikgeschichte zeigt uns, daß das Saxhorn oder Saxophon, wie wir es heute nennen, nicht etwa ein Niggerinstrument ist, sondern dem Belgier Antoine Sax zugeschrieben wird, der es in der Zeit um 1850 in seiner Pariser Instrumentenfabrik auf den Markt brachte. In Wirklichkeit war es nicht seine Erfindung, sondern die Nachahmung und das Plagiat eines von dem Deutschen Wilhelm Friedrich Wieprecht (geboren 1802 zu Aschersleben) erfundenen Instruments. (...) Was uns stört am Saxophon, ist nicht der Klang des Instruments, sondern die Art seiner Verwendung...“

Die 'Königsberger Allgemeine Zeitung‘, in der dieser Artikel erscheint, ist zu dieser Zeit natürlich eine spezielle - außerdem versieht der verbretterte Autor Adolphe Sax mit neuem Vornamen. Was soll's, die Tröte ist eh nicht von ihm. Aus!

Zwei weltweite Strömungen des letzten Jahrhunderts führen zu entscheidenden Veränderungen der Hörgewohnheiten. In der Umstrukturierung des großen Orchesters zum einen erweist der Amerikaner Patrick Sarsfield sich als Pionier. Gotthilf Fischer in Potenz, bekannt durch Massenkonzerte mit bis zu 2.000 Instrumentalisten und 20.000 Sängern, bereicherte er seine Militärband um einen Saxophonsatz. Doch welche Hütte bietet soviel Raum? Hier kommt die zweite Neuerung: „Das weitverbreitete Bedürfnis nach künstlerischer Unterhaltungsmusik einerseits und andererseits die Unmöglichkeit, an allen Unterhaltungsstätten (Kaffeehäuser, Kinos usw.) ein vollbesetztes Orchester zu halten, haben zu Formen instrumenteller Besetzung geführt, deren Zweck gewissermaßen die Reproduktion der Orchesterwirkung für kleinere Räume ist. Man entnahm dem Orchester die wichtigsten Instrumente und ersetzte die fehlenden durch das Klavier und das Harmonium...“ (Aus einer Instrumentationslehre zitiert von Gunther Joppig im Ausstellungskatalog That's Jazz.)

Dies Harmonium, vormals Physharmonica genannt, zeigt sich zu Prä-Synthesizer-Zeiten bereits in der Lage, fehlende Instrumente annähernd zu imitieren. Werden Trio-Bearbeitunen von Mozart-, Haydn- oder Beethoven-Symphonien auch eher belächelt, der Weg zum Salonorchester ist beschritten.

Norbert Tefelski