Verfassungsänderung in Jugoslawien

Reform des Wirtschaftssystems / Größerer Einfluß der Serben in autonomen Provinzen  ■  Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) - Als am Freitag die seit Wochen und Monaten diskutierten Veränderungen der Bundesverfassung von den Abgeordneten des jugoslawischen Bundesparlaments verabschiedet wurden, waren immerhin 135 der 406 Artikel einer der längsten und kompliziertesten Verfassungen der Welt mit Zusätzen versehen. Der größte Teil der Verfassungsänderungen soll der Reform des Wirtschaftssystems dienen.

Schon im Vorfeld der Verfassungsdebatte war klar geworden, daß dem Verlangen der serbischen Parteiführung, in den beiden autonomen Provinzen Wojwodina und Kosovo größeren Einfluß zu erhalten, stattgegeben wurde. „Ein großes Problem für die Verfassungsdebatte war die Situation in Serbien“, hatte der Vorsitzende der Verfassungskommission, Radovan Sturanovic, der taz vor zwei Wochen erklärt. Denn die „autonomen Regionen Wojwodina und Kosovo sind sowohl Bestandteil der Republik Serbien wie auch des Bundes. Zunächst einmal wird sich daran auch nichts ändern. Die autonomen Provinzen werden weiterhin in den Bundesorganen präsent bleiben, und gleichzeitig wird Serbien nicht mehr auf das engere Serbien reduziert.

Erst mit der angestrebten Veränderung der serbischen Verfassung selbst, die nun angestrebt werden kann, werden sich die konkreten Auswirkungen für die Minderheiten in der größten Republik des Vielvölkerstaates zeigen. Das am Mittwoch von den Sicherheitsbehörden verhängte Versammlungsverbot in Kosovo, das weiteren Protesten gegen die Verfassungsänderungen zu ungunsten des albanischen Bevölkerungsteils vorbeugen sollte, zeigt, daß die Politik der serbischen Parteiführung einen Teilerfolg errungen hat.

Auch daß weder die Artikel über die „Verunglimpfung des Staates“ oder „verfassungsfeindliche Tätigkeit“ noch über die Militärgerichte und die „Pressefreiheit“ verändert wurden, macht deutlich, daßdie Verfassungsänderung keinen Schritt in Richtung Demokratisierung darstellen.

Nach Angaben von Sturanovic werden künftig mehrere Kandidaten bei den Wahlen auf den unterschiedlichsten Ebenen des Staates, der Selbstverwaltungsorgane und der Partei zugelassen. Außerdem sollen Partei und Staat strikter getrennt werden. Von größter Bedeutung ist, daß die Beschlüsse der Bundesregierung nicht mehr einstimmig von allen sechs Teilrepubliken und den beiden autonomen Provinzen angenommen werden müssen.