Gen Osten

■ Mitterrand beginnt eine neue französische Ostpolitik

Das „gemeinsame Haus Europa“ von Michail Gorbatschow sei eine „gute Idee“, befand Fran?ois Mitterrand in Moskau und fügte hinzu: „Ich will gerne die Etagen möblieren.“ Will er es wirklich? Aufregend, einschneidend und wegweisend ist französische Außenpolitik in der Nachkriegszeit immer dann, wenn Osteuropa in ihrem Mittelpunkt steht. Auf seiner ersten Moskaureise kurz nach dem Krieg verfolgte De Gaulle den französischen Traum von einer Großmacht in Mitteleuropa. Zwanzig Jahre später, im Juni 1966 (drei Monate nach dem französischen Nato-Austritt), reiste De Gaulle erneut in die Sowjetunion und skizzierte als erster westeuropäischer Staatschef das Modell einer unabhängigen Entspannungspolitik in Europa.

Doch die Nachfolger des Generals konnten dessen östliche Wege nicht weiterverfolgen. Die Gründe dafür waren weitgehend innenpolitischer Natur. Die kulturelle Hegemonie, die die Linke in den 70er Jahren erlangte, untersagte zunächst Pompidou und Giscard, der innenpolitische Einfluß der KPF später Mitterrand die Annäherung an Osteuropa.

Heute schaut Mitterrand mit dem selben Fernglas, das schon der General ans Auge setzte, einer sowjetischen Rakete hinterher, die einen französischen Astronauten in den Weltraum trägt. Mitterrand wählt sorgsam jede Symbolik. Nunmehr befreit von den innenpolitischen Sorgen um die Kommunisten, signalisiert der französische Präsident eine neue Ostpolitik, die an das gaullistische Erbe anknüpft. Im politischen Bündnis mit Moskau suchte De Gaulle stets die wirtschaftliche Macht Deutschlands unter Kontrolle zu halten. Dahinter steht ein jahrhundertealter politischer Imperativ, dessen Kraft europäische Geschichte prägte. Gorbatschow und Mitterrand haben ihn erneuert.

Georg Blume, Paris