UHU für „Zerbrochenen Krug“

■ Das kulturgesponserte Theaterstück, Bild, Buch etc. als feingeistige Ergänzung der „Unternehmenskultur“ / Die gute, schöne und wae Werbefläche

Der Fehler beginnt, wie ich meine, damit, daß wir im Zusammenhang mit Theater überhaupt von Subventionen sprechen. Der Begriff verführt unser Denken in die falsche Richtung.

...Theater ist und bleibt unersetzlich, damit wir das Leben und die Welt besser verstehen.

...Die von Bundesland zu Bundesland stark unterschiedlichen Formen der Förderung aber billigen dem Theater keine gesicherte Rechtsposition zu. Über die Diskussionen um ihre Finanzierung geraten die Theater in einen ständigen Rechtfertigungsdruck. Immer wieder müssen sie nicht nur ihre sachliche Arbeit und ihre Kosten, sondern auch ihre Existenz schlechthin aufs neue legitimieren. Wir brauchen Theater für unser Leben. (Richard von Weizäcker in seinm Plädoyer fürs Theater, 1987)

Sponsor (englus lat. 'Bürger‘), Gönner, Förderer, Geldgeber; z.B. Auftraggeber für Werbesendungen in Hörfunk und Fernsehen. Auch Person oder Firma, die eine bestimmte Sportart, einen Wettbewerb oder eine Verantwortung finanziell unterstützt und dabei zumeist auch Werbung für sich treibt. (Aus: Der Große Brockhaus, Kompaktausgabe, Bd. 20, 18.Aufl., 1983)

„Mir ist es völlig egal, ob wir Schauspielhaus oder Grundig-Bühne heißen.“ (Peter Zadek)

„Kultur darf nicht zum Callgirl des Kommerzes verkommen.“ (Hermann Glaser, Kulturdezernent Nürnberg)

„It takes art to make a company great.“ (Philip Morris)

Mäcenas, jener Zeitgenosse des Augustus, der so uneigennützig die Literatur förderte, war ein Mäzen, weil er für seine Gaben nichts wollte. Sponsoring (neudeutsch: sponsern, Partizip Perfekt: gesponsert) dagegen will einen Gegenwert: Kleists „Zerbrochener Krug“ etwa als niveauvolle Werbefläche für z.B. Uhu, Dirigenten und Musiker des

Schleswig-Holstein-Musik-Festi- vals im niedlichen Audi-Trikot, das aristlischDa alsfeinsinniges Umfeld für die Lebensversicherung-PR - das kommt noch. Was schon da war: Zadeks „Lulu“ machte auf dem Vorhang Reklame für ein ähnlich klingendes Produkt aus dem Hause cacharel, Olivetti präsentierte „Das Glas der Caesaren“ in Köln, Zadeks „Evita“ entsteht mit freundlicher Unterstützung der BILD-Zeitung, Poptruppe Laibach blinkte zum kräftigen Gong das Logo der gleichnamigen Fernsehzeitschrift in die Zuhörer.

Sponsoring ist also keine Jeden-Tag-eine-gute-Tat -Pfadfinder-Schrulle (dann würde sie anonym praktiziert), sondern hat etwas mit Produktwerbung zu tun. Oder, was subtiler ist: mit Imagepflege. Philips etwa hält für interessierte Mitmenschen ein Presse-Info „Kulturförderung“ bereit, in dem die dezente Unterstützung von Opern, Loriot und ähnlich Geschmackvollem ganz unbefangen als „Element der Imagepflege“ und „Unternehmenskultur“ bezeichnet wird: „Anreicherung des Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit um eine Komponente, die sich mit kulturellem Engagement beschreiben läßt“, „eine neue, ehrliche und unverkrampfte Beziehung zwischen Wirtschaft und Kultur“, sagt Philips im Info.

Das Kalkül des Kultur-Sponsoring aber ist noch raffinierter. Der feingeistige Geschäftsführer nutzt den Vorstandsposten in Kultur-und Födervereinen zum Treffen mit kunstsinnigen Vertretern anderer Firmen, mit Politikern und Lobbyisten. Der Kunst-Sponsor hat etwas von der Kunst. Er steht damit besser da als die Konkurrenz. Das ist uns egal.

Ohrensausen kriegen wir Feingeister eher beim Gedanken daran, daß eine gesponserte Kultur eine veränderte Kultur sein könnte, eine, die bittebitte als positiver Image -Transfer wirken

möchte, sich also verkaufen muß bei Publikum und Geldgeber. Das wird sie lernen, sagen Optimisten. Kultur ist klug. Noch aber, so unlängst die ZEIT, herrschen Dilettantismus und Dumping-Preise.

Menschen handeln selten ohne Eigennutz. Uneigennützig ist kulturelles Engagement der Wirtschaft also nie: Wer Geld haben möchte, muß bereit sein, Konzessionen an den Geldgeber zu machen. Oder sich gegen Einflußnahme durchsetzen lernen. „Das ist bei Theaterleitern immer so“, sagt dazu Tobias Richter, Intendant des Bremer Theaters und offenbar marketingsprachgeschulter Befürworter eines Theaters als betriebswirtschaftlich klug organisierten Produktionsbetrieb. „Auch bei Geldern aus den Kulturetats der Städte gibt es politischen Druck, der Einfluß nehmen möchte auf personelle und inhaltliche Strukturen des Theaters. Man muß als Theaterleiter immer lernen, das Theater von äußeren Einflüssen freizuhalten. Da ändert sich also nicht viel.“ Einer der Kollegen bezeichnete sich allerdings schon mal als Trüffelschwein in der Sponsor -Szene.

Bei Kultursponsoring aber, als sachlich leidenschaftloses Geschäft betrachtet, existiert immerhin die Möglichkeit, publicityträchtig den ideologisch schlechten gegen einen guten Sponsoren auszuspielen: Jürgen Flimm vom Hamburger Thalia Theater lehnte so unlängst ein 75.000-plus -250.000-für-die-nächste-Spielzeit-Angebot von MBB mit der Begründung ab, der Konzern beteilige sich an Rüstungsgeschäften. SPIEGEL-Herausgeber Augstein sprang gern und werbewirksam ins entstandene Finanzloch.

Der öffentliche Kulturetat dagegen wird gewöhnlich von einem nicht so rasch austauschbaren Gremium verwaltet.

In einer Zeit leerer öffentlichen Kassen besteht aber die darin, daß

sich öffentliche Geldgeber ganz aus der Kultur-Verantwortung schleichen. „Kunst und Kultur gehört zur Lebensqualität und ist damit erstes Anliegen des Menschen“, sagt Richter dazu zart pathetisch, „Kultursubventionen sollten den Etat der Kultur-Institutionen insoweit sichern, daß z.B. das Theater eine gute Basis hat, mit der es arbeiten kann. Ambitionierte Projekte aber kann man nicht allein aus öffentlichen Geldern realisieren. Das ist Aufgabe von Sponsoren.“

Richter plädiert darüber hinaus für eine Säkularisierung der heiligen Hochkultur-Kühe: „Ein Theater hat wie alle anderen Kulturinstitutionen eine Verwaltung und einen technisch-organisatorischen Bereich, in dem Geld sinnvoll und rationell eingesetzt werden muß.“

Richter setzt darüber hinaus auf den '85 von ihm gegründeten Förderverein des Theaters, in dem neben pensionierten Lehrern und Ärzten - der Bildungsbürger -Förderschicht schlechthin - eben auch und bewußt Vertreter des Managements und anderer wichtiger Funktionen eingebunden sind, die im Notfall auch politisch als Lobbyisten helfen könnten. Die Bremer Groß-Sponsor-Szene dagegen hält Richter für relativ überschaubar: große Automobil-Konzerne, Niederlassungen von z.B. Elektro-Konzernen, Fliegerschulen von Fluggesellschaften, Stahl-oder Bier-Produzenten etwa. Dennoch, so Richter, bestehe keine „koordinierte Sponsoren -Landschaft“: Es halten so viele die Hand auf, daß eben nur eine Handvoll für jeden übrigbleibt. Darüberhinaus verhindere die Bremer Mentalität („vornehm zurückhaltende Spendierfreude“), daß auf dem Gebiet der Kulturförderung allzuviel zu heftig passiere. Vielleicht bräuchte Bremen auch einen dieser schicken neuen Arbeitsplätze: Werden Sie Kulturberater.

Petra Höfer