Frontberichte und Bierseligkeit

■ Die Zeitungen der Fußball-Fanszene und der Versuch ein überregionales Fan-Magazin zu entwickeln

Unabhängig von den Fußballvereinen und in nichts mit der Stadionzeitung zu verwechseln, erscheinen in der Bundesrepublik gegenwärtig etwa hundert Fanclub-Zeitungen. Mit martialischen Namen wie 'Bulldog News‘ oder 'Frontbericht‘, aber auch mit unverfänglichen Titeln wie 'Der Wellenbrecher‘ oder 'Eagles Blättle‘. Die Auflage dieser „Fanzines“, die ungefähr drei bis viermal pro Jahr erscheinen, schwankt zwischen 50 und 250 Exemplaren und wird zum Selbstkostenpreis (1-2,50 Mark) per Handverkauf in der heimischen Fanszene vertrieben. Die meisten im handlichen Din-A5-Format herausgebrachten Blätter erinnern an Schülerzeitungen. Ihr Umfang beträgt 20 bis 60 Seiten und sie sind mit Comics aufgelockert. Den Leser erwartet allerdings eine deftigere Kost, als sie gemeinhin auf dem Schulhof verabreicht wird.

So erscheint der 'Bockenheimer Bembel‘, eine berühmte Fanclub-Zeitung aus Frankfurt, die bereits seit zehn Jahren existiert, mit einer „Warnung des Bundesbrisanzministers“: „Bembellesen gefährdet ihre Gesundheit. Dieses Blatt enthält die auf dem Reuezeichen angegebenen Mengen an Subversion (S), Obstruktion (O), Volksverhetzung (V), Wehrkraftzersetzung (W) und mutwilliger Empörung (m.E.).“

Wer ausführliche Spielberichte über die Lieblingsmannschaft erwartet, wird enttäuscht. Wenn die Spiele der heimischen Kicker überhaupt Erwähnung finden, dann wegen der Ereignisse drumherum, wegen der detailliert ausgeschmückten Erlebnisse von der „Alkohol- und Randalefront“. Die Höhepunkte der Auswärtsfahrten, die Abenteuer auf fremden Territorien werden ausführlich gewürdigt. Ebenso die Veranstaltungen des Fanclubs, von der chaotischen Jahreshauptversammlung bis zu diversen Feierlichkeiten, für die jeder Anlaß recht ist. Ganz selten noch wird ein Spieler oder Funktionär befragt. In regelmäßiger Folge erscheinen dagegen Porträts von Fanclub-Mitgliedern, die einen Standardfragebogen ausgefüllt haben. Lieblingsbeschäftigung: „Kampftrinken“. Lieblingsschauspieler: „Götz George“. Motto: „Lieber ein wackliger Kneipenstuhl als eine feste Bindung.“

Die Möglichkeit zur Selbstdarstellung wird mit gezielter Provokationslust wahrgenommen und entspricht dem Klischee, das sich die Öffentlichkeit über die Fußballfans zurechtgelegt hat: „Vor der Abreise deckte man sich noch im örtlichen Supermarkt mit Schoppen und mehreren Pullen rotem Genever ein - man gönnt sich ja sonst nichts! Bei der Pinkelpause wurden die leeren Flaschen, wie es sich gehört, natürlich über den gesamten Parkplatz verstreut. Souvenirs, Souvenirs!!“ ('Bockenheimer Bembel‘). Natürlich gehört sich das nicht. Aber wäre es eine einzige Zeile wert, wenn der Fanclub-Präsident nach einer Rast dafür sorgt, daß die leeren Flaschen eingesammelt werden und im Container verschwinden?

Mit Vorliebe wird über das berichtet, was die Konventionen verletzt; die Banalität des Fan-Alltages, Eintönigkeit und Langeweile, haben ihren Chronisten noch nicht gefunden. Kein einziger Bericht, außer zaghaften Andeutungen, die mit flotten Sprüchen zugedeckt werden, in denen das „Muffensausen“ angesprochen wird, wenn es „staubt“ und „bös abgeht“. Die großsprecherische Attitüde von „Wir kriegen euch alle“ und „Wir machen jeden platt“ läßt das nicht zu. Angst hat immer nur der Gegner, der in die Flucht geschlagen oder wegen mieser Tricks verurteilt wird.

Nicht alle Fanzine-Herausgeber reagieren so souverän auf die zunehmende Erwartung ihrer Leser in Richtung „Frontberichterstattung“ wie der Redakteur des 'Bembel‘: „Den Leuten, denen unser Heft zu gewaltfrei ist, empfehlen wir den neuen Pippi-Langstrumpf-Film, in dem es massenhaft Prügelszenen gibt.“

Die Macher der 'First Class Crew‘ aus Stuttgart betonen, „daß es nicht in unserem Interesse liegt, irgendwelche Art von Gewalt hervorzurufen. Dieses Heft berichtet lediglich über die Aktivitäten in der Stuttgarter Fußballszene, klaro!!“

Das klingt wie eine Rückversicherung und ist auch so gemeint. Dahinter steckt das „große Interesse der Polizei für deutsche Fan-Hefte“. Von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmeaktionen wird berichtet. Auch der 'Bockenheimer Bembel‘ wurde - allerdings erfolglos - mit einer Anzeige behelligt. Nicht wegen Gewaltverherrlichung, sondern „mangelndem Respekt vor den Fanpolizisten“.

Die negativen Erfahrungen mit den „grünen Männchen“ machen sich in den Fanzines Luft. So veröffentlicht die 'Gladbacher Nordkurve‘ regelmäßig Beispiele in ihrer Rubrik: „Fans beobachten die Polizei“.

Die ersten Fanclub-Zeitungen erschienen Mitte der siebziger Jahre, eine beachtliche Anzahl existiert nun schon seit Jahren in sich ständig verbessernder Qualität. Außerdem konnte sich ein bundesweites Magazin etablieren, der 'Fantreff‘, von dem pro Monat etwa 3.000 Stück gedruckt werden und der den Durchbruch mit einem Leserbriefstreit schaffte über die Frage, wo die besten „Klopper“ im ganzen Lande hausen. Obwohl von vielen als „pure Geschäftemacherei“ verdächtigt, könnte der 'Fantreff‘ eine Art Sprachrohr der Fans werden. „Die meisten Leute haben am 'Fantreff‘ etwas auszusetzen“, erzählt Herausgeber Peter Will, „aber lesen tun ihn beinahe alle, auch wenn sie es nicht zugeben.“

Dieter Bott