Gegen Geschäfte mit der „Ware Frau“

■ Aktionen gegen Sextourismus in vielen bundesdeutschen Städten / Das Delikt Frauenhandel wird kaum verfolgt Der 25.November ist seit 1981 internationaler Aktionstag „Nein zur Gewalt gegen Frauen“

Ein lasziv geöffneter Kußmund dient als Blickpunkt, zwischen den Lippen animiert der Werbeslogan „All you need ist duty free“ die Reisenden auf dem Frankfurter Flughafen zum Kauf von zollfreiem Whiskey und Parfüm. Unter dem Plakat haben etwa 60 Frauen, Männer und Kinder Aufstellung genommen. Sie halten Transparente mit der Aufschrift „Weltweiter Protest gegen Sextourismus und Frauenhandel“ und „Männer kaufen Frauen - Frauen wehren sich weltweit“.

Für diesen Protest, so die Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ (agisra), Elvira Niesner, sei der Frankfurter Flughafen als Drehscheibe des Sextourismus genau der richtige Ort. Ein Flughafen-Angestellter von der „Sicherheitsabteilung“ gab ihr Recht - und drohte trotzdem mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, falls die DemonstrantInnen die Abflughalle nicht verließen.

Die Leute von agisra waren dennoch mit ihrer Aktion am Freitag abend zufrieden. Eine halbe Stunde lang waren sie, begleitet von amüsiertem Kopfschütteln und witzelnden Bemerkungen der Herren in den blauen Anzügen, schweigend durch das Flughafengebäude gezogen. Wie poppige Farbtupfer leuchteten überall knallrosa Flugblätter, die über Sinn und Zweck der Aktion informierten.

„Das Geschäft mit der 'Ware Frau‘ ist seit langem ein lukrativer Einkommenszweig geworden“, hieß es auf den Handzetteln, „nicht zuletzt auch deswegen, weil die Situation betroffener Frauen in der Bundesrepublik durch Rechtlosigkeit gekennzeichnet ist.“ Agisra fordert deshalb Gesetzesänderungen, die eine effektive Strafverfolgung der Frauenhändler ermöglichen sollen. Bisher können sich die ausländischen Frauen kaum gegen die Händler wehren, weil sie damit Gefahr laufen, sofort abgeschoben zu werden. Aus Gesprächen mit Polizisten weiß Elvira Niesner, daß Frauenhandel aus deren Sicht „das allerletzte Delikt ist, das strafverfolgt werden muß“. Begründung: Statistisch gesehen mache diese Straftat einen minimalen prozentualen Anteil an der Gesamtzahl aller Verbrechen aus. Die agisra -Vorsitzende sieht in dieser Gleichgültigkeit „eine Art von Männersolidarität“ und eine Auswirkung der verschärften wirtschaftlichen Ausbeutung der Dritten Welt durch die Industrieländer.

Am Samstag setzten die agisra-Leute ihre Aufklärungsaktion auf der Frankfurter Konsummeile Zeil fort. Zwischen klappernden Sammelbüchsen, Straßenmusikanten, Info-Ständen der verschiedenen Parteien und überwinternden Zirkustieren verlosten sie einen Mann. Der Hauptgewinn stand, mal schüchtern, mal kokett auf die Neugierigen herabsehend, zur Begutachtung auf einem Podest. Hunderte von Mini -Flugblättern - als Lotteriescheine getarnt - wurden unter die Leute gebracht. Ein Katalog mit weiteren „Angeboten“ sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit. „Sie finden bei uns den Mann ihrer Träume.“ „Suchen Sie sich aus der beigefügten Monatsauswahl die Herren aus, die Ihnen am besten gefallen.“ Während viele Frauen schockiert auf die „Verkaufsaktion“ reagierten, spielten andere voll mit. „Soll ich meinen Mann auch noch bringen“, schlug eine vor. Ähnliche Aktionen fanden am Wochenende auch in Hamburg, Bremen, Berlin, Göttingen, Kassel, Düsseldorf, Stuttgart und Tübingen statt. Außerdem in mehreren europäischen Großstädten und auf den Philippinen.

Der 25.November ist seit 1981 internationaler Aktionstag zum Thema „Nein zur Gewalt gegen Frauen“. Am 25.November 1960 starben in der Dominikanischen Republik drei junge Frauen eines gewaltsamen Todes. Sie hatten sich geweigert, die sexuellen Wünsche eines Herren aus der Familie des damaligen Diktators zu erfüllen. Bei einem Treffen von Feministinnen 1981 in Bogota wurde dieses Verbrechen aufgegriffen, der 25.11. zum Tag „Nein zur Gewalt gegen Frauen“ erklärt. Seitdem machen lateinamerikanische Frauengruppen an diesem Tag auf das Problem der Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Die philippinische Frauenorganisation „Gabriela“ hat 1988 diese Idee aufgegriffen, um auf die Probleme des Sextourismus und Frauenhandels aufmerksam zu machen. Frauen in Industriestaaten unterstützten diese Aktionen.

Marion Scherpf