Glaubens-Asyl vor Gericht

■ Bremer Oberverwaltungsgericht beriet über Asylantrag für Yesiden

Lange vor Adam und Eva, in grauer Vorzeit, sündigten die Engel. Die klügsten und schönsten von ihnen wurden zu Teufeln. Das Böse war entstanden. Gott wurde ein wurde ein strenger, strafender Vater und blieb es bis heute. Jedenfalls in die christlichen und der islamischen Religion. Nicht jedoch in der ursprünglichen Religion der Kurden: Nach yesidischem Glauben haben Gott und seine aufrührerischen Engel sich wieder versöhnt. Statt zum obersten Teufel wurde Melekita-us (Luzifer) wieder zu Gottes erstem Gehilfen. Die Frauen, bei den Christen und Moslems Träger des Bösen, kommen bei den Yesiden besser davon. Sie rangieren bei den kurdischen Yesiden deutlich höher als bei ihren moslemischen Nachbarn.

Themen dieser Art wurden gestern ausführlich erörtert - vor dem Bremer Oberverwaltungsgericht. Sollen die fast 500 Yeziden, die bisher in Bremen leben, politisches Asyl bekommen? Diese Frage muß das Gericht entsciden, exemplarisch am Fall es Bauern Seydo Tunc und seiner Frau. Die Bremer Entscheidung hat auch bundesweite Bedeutung. Denn verschiedene Oberverwaltungsgerichte haben über die yesidischen Flüchtlinge verschieden geurteilt. Das letzte Wort wird das Bundesverwaltungsgericht haben.

Ihre Nachbarn am Ostrand der Türkei nehmen den Yesiden ihren Glauben übel. „Teufelsanbeter“ heißen sie bei den Moslems, bei den türkischen ebenso wie bei den kurdischen. Denn nur noch eine winzige Minderheit der Kurden glaubt yesidisch. Nur im Schutz chstlier Dör konnten die Yesiden die Jahrhunderte überdauern. Aber: Die osttürkischen Armenier wurden während des ersten Weltkriegs massakriert, und auch viele christliche Aramäer sind vor moslemischen Pogromen geflohen. Seitden leben die Yesiden unter alltäglicher Gewalt. Wie das aussieht, schilderte Seydo Tunc gestern den Richtern: Die Fenster seines Hauses seien eingeschlagen worden, als sein Vater vor die Tür ging, wurde er von Unbekannten erschossen. Sein Onkel und ein Vetter wurden ermordet, als sie in heißen Sommernächten außerhalb der Häuser schliefen. Als er vor acht Jahren erstmals in der Bundesrepublik war, wurde seine Frau von einem moslemischen Kurden entführt.

Inzwischen sind die Yesiden aus den Tälern Kurdistans ausgewandert. Überwiegend alte Leute und Kinder leben in dem früheren Dorf der Tuncs. Alle anderen sind nach Europa geflohnen. Aber auch in die Großstädte der Westtürkei, sagt ein Bericht des Bonner Außenministeriums, der gestern vor Gericht verlesen wurde. Allein 40.000 wären in Istanbul ansässig und würden dort das Geschäftsleben dominieren. „Unsinn“, sagte dazu als Sachverständiger ein Professor für Religionsgeschichte. Yesiden könnten in der feindlichen moslemischen Umgebung nicht seßhaft werden.

Zeitweilig hatte die kurdische Guerillagruppe PKK viele Anhänger unter den Yesiden. Auch Seydo Tunc gab gestern an, daß er mit der Partei sympatisiert und für sie mit seinem Kleinbus Kurierdienste geleistet habe. Sein Urteil wird das Gericht am 7. Dezember verkünden.

mw