DOKUMENTATION
: „Verfassungsschutz in Berlin“

■ Der WDR-Redakteur Klaus Bednarz in den 'Tagesthemen' zum Berliner Verfassungsschutz-Skandal

In Berlin ist Wahlkampf. Doch wer den jüngsten Skandal um den Berliner Verfassungsschutz nur mit dieser Vokabel abtun will, macht es sich mit Sicherheit zu einfach. Schon vor Jahen hat mir ein Informant aus dem Verfassungsschutz bestätigt, daß dort Dossiers über unliebsame Journalisten geführt werden – vor allem über solche mit Ostkontakten. Und zu welch dunklen Machenschaften der Verfassungsschutz in unserem Lande sonst noch fähig ist, hat sich erst unlängst in der Affäre um das berühmte „Celler Loch“ gezeigt.

Doch Berlin ist ein Sonderfall. Das Minimum demokratischer Kontrollen, das in anderen Bundesländern gilt, ist hier durch alliiertes Recht noch weiter eingeschränkt: Telefone dürfen auch ohne richterliche Anordnung abgehört werden und die Betroffenen brauchen auch im nachhinein nicht informiert zu werden.

Doch die Chronik der Skandale des Berliner Verfassungsschutzes geht weit darüber hinaus. Bis heute stehen ungeklärt schwerste Vorwürfe im Raum: sie reichen von Anstiftung zu Straftaten über Vernichtung von Beweismitteln bis zur Anstiftung zum Meineid und Beteiligung an der Planung eines Mordes.

Daß einzelne Journalisten bespitzelt wurden, „Sonderberichte“ über die SPD und die Alternative Liste angefertigt wurden – in einem Fall sogar, wie es heißt, „im Auftrag“ der Senatskanzlei von Bürgermeister Diepgen –, wird nicht einmal mehr amtlicherseits bestritten. Doch sollte sich bestätigen, daß eine ganze Zeitungsredaktion gleichsam „flächendeckend“ vom Verfassungsschutz bespitzelt worden ist, so dürfte dies eine neue Qualität sein – zu vergleichen allenfalls mit jener berüchtigten „Spiegel-Affäre“, die seinerzeit immerhin zum Rücktritt eines Bundesministers geführt hat.

Dem Berliner Innnesenator Kewenig ein – vorsichtig ausgedrückt – „gestörtes Verhältnis“ zur Pressefreiheit vorzuwerden, hat es in der Vergangenheit Gründe genug gegeben. Mit einer Chuzpe ohnegleichen weist er auch jetzt alle Vorwürfe als erstunken und erlogen zurück. Doch das hat – in ähnlicher Situation – auch schon sein Vorgänger Heinrich Lummer getan, und der mußte schließlich doch seinen Hut nehmen.

Bürgermeister Diepgen wäre gut beraten, wenn er all die ungeheuerlichen Vorwürfe, die nun im Raum stehen, lückenlos und ohne Ansehen der Person aufklären läßt. Sonst würde sich wirklich bewahrheiten, was der Chefredakteur des liberalen Berliner 'Tagesspiegel' schon vor einiger Zeit feststellte: „In Berlin stirbt die Freiheit zentimeterweise.“