„Anerkennung kommt nicht aus Bremen!“

■ Sie begann mit dem ersten „Buchladen“ Bremens am Wall und wurde Verlegerin für exklusive, handwerklich schön gefertigte Bücher: Bettina Wassmann / „Wer Charakter hat, kann sich in Bremen entwickeln - aber nicht ernähren!“

„Meine Anerkennung kommt nicht aus Bremen, die kommt von außerhalb.“ Die das ohne Larmoyanz zu mir sagt, ist Bettina Wassmann, Buchhändlerin des legendären ersten Bremer „Buchladens“ am Wall und, viel wichtiger, Verlegerin. Bettina Wassmann: fast 46, Bremerin und Kippenberg -Schülerin, Tochter eines Baumwoll-Händlers und aus musischer Familie - „Aber trotzdem hab ich meine Geige

verscherbelt, als ich mit meinem ersten Freund nach Wangerooge wollte.“

Der Gründer des Insel-Verlags wie auch Rowohlt kommen aus Bremen, Suhrkamp aus Oldenburg. „Das ist schon ein Gründer -Klima hier: Wer Charakter hat, kann sich hier entwickeln aber nicht ernähren!“ Die Buchhändlerin und Verlegerin ist nur bedingt geschäftstüchtig. Der Laden war schon einmal doppelt so

groß. Da standen in der oberen Etage die Literatur -Soziologen - inzwischen gibt es nicht einmal mehr die Verlage von damals: „das hat sich selbst liquidiert“, sagt sie gelassen, „ich könnte die Regale höchstens mit Bestsellern füllen. Man kann das Sortiment sicher vergrößern, aber nicht verbessern.“

Aus dem Laden mit Beton- und Stahlrohr-Design der 60er Jahre hat sie ein gedämpft beleuchtetes

Etablissement mit Buchschön heiten in dunklen Holzregalen gemacht, in das libidinöse Beziehungen zu Buchrücken und Goldschnittkanten ebenso passen wie die Liebe zu französischen Philosophen. Und dann gibt es die Bände aus dem Verlag Wassmann, aus bestem Papier, mit aufwendiger Bindung und sorgfältigem Druck. „Benjamin zwischen Bataille und Sohn-Rethel“ gibt es da, Sophokles und Barney und immer noch viel mehr Sohn-Rethel („Ich bin ungewöhnlich verheiratet.“).

Wessen Manuskripte da zwischen so edlen Deckeln landen, das geht nicht nach Reihe, Sparte oder Marktlücke, eher nach Faszination oder auch intuitivem Zufall. So wird es im Frühjahr einen Band von der Südamerikanerin Edith Aaron geben: „Die kam in meinen Laden. Und ich war richtig schockiert, so schön war die. Wie eine Schwester Kafkas.“ Aus der Frühsommer-Begegnung wurde das Buchprojekt.

Was finanziell trägt, sind die Buch-Lieferungen nach Süddeutschland und nach Berlin. Nicht die norddeutsche Region. Trotzdem gibt es keine modernen kaufmännischen Lösungen: „Ich gehöre nicht in die Spezies männlicher Betriebswirtschaftler, die in Marktanteilen denken. Ich bin heiterer als andere. Natürlich kann man so nicht reich werden. Aber wenn die Bäcker schöne Brötchen machten und die Restaurants gutes Essen, das man trotzdem bezahlen kann das wäre doch Kultur.“

Bremen, das sind für die Bremerin Wassmann auch die Berührungsverbote zwischen den Menschensorten und eine weinerliche Attitüde angesichts der vermeintlich schlechten Zeiten: „Wer hier nicht mit den Wölfen weint, ist eine ganz suspekte Person. - Ich mag ja die Stadt. Nur ist es mit der Großzügigkeit im Denken der 20er, vielleicht auch noch der

50er und 60er Jahre aus. Da muß man warten, bis Bremen aus der Phase der Selbstbespiegelung raus kommt.“

Vielleicht wäre dabei auf die neue Schicht zu setzen, die „der in den letzten 20 Jahren Gebildeten“, die sich bisher aber noch nicht gegen das Alte entfaltet hat. Dieses Alte scheint verloren. „Früher hat Borgward für jedes Schulkind drei Opernvorstellungen gestiftet - ich weiß noch ge

nau Zar und Zimmermann! Heute werden wir von Eduscho nur eingeladen, um Räder und Schirme zu kaufen.“

Freie Hansestadt Bremen: „Es wäre doch charmant, wenn sich die Kaufmannschaft verführen ließe, die Reserviertheit der Klassen aufzugeben. Bis das soweit ist, setzen wir eben unsere Arbeit fort - möglichst gut. Das hat mit Stil zu tun.“

Susanne Paa