Flucht der Kaffee-Barone

■ Roselius, Jacobs, Schopf - das Kaffee-Kapital hat Bremen verlassen Bundesverdienstkreuze wurden nicht zur Self-fulfilling Prophecy

HAG, Jacobs, Eduscho - drei Namen, die zu Beginn dieses Jahrhunderts für den Reichtum Bremer Schlotbarone standen. Inzwischen ist der Besitz an die zweite Generation der Gründerfamilien Roselius, Jacobs und Schopf vererbt - und zum größten Teil ins Ausland verschwunden. Mit seiner Unterschrift unter den Verkauf der Böttcherstraße hat sich Ludwig Roselius gestern vom letzten Rest seines Bremer Besitzes verabschiedet, Kaffee HAG gehört schon seit 1979 dem US-Konzern Philip Morris. Die übriggebliebenen Kaffee -Firmen

lassen in Berlin produzieren, Jacobs hat seinen Hauptsitz in die Schweiz verlegt. Aus der Kaffeestadt Bremen kommt nur noch Eduscho. Doch dessen Besitzer Schopf trat in den vergangenen Jahren nur als scharfer Gegner der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft an die Öffentlichkeit.

Dabei ist es noch gar nicht lange her, daß die Kaffee -Barone als Bremer Honoratioren geehrt wurden. 1972 hängte Bürgermeister Koschnick dem damals 43jährigen Ludwig Roselius ein Bundesverdienstkreuz um den Hals. Seinen Deutschen Meister

Titel im Tontaubenschießen hatte er jedoch 1971 schon außerhalb der Bremer Landesgrenze errungen: für den „Jagd und Wurftaubenclub Osterholz“. Erst in diesem Jahr gab es diesmal aus der Hand des Bürgermeisters Wedemeier - ein weiteres Bundesverdienstkreuz für den Hals des 81jährigen Walther J. Jacobs. Er hatte sich als Besitzer des Reitstalls „Fährhof“, knapp außerhalb der Bremer Landesgrenze, und als Förderer des Bremer Rennvereins hervorgetan.

Auf „rund 100“ schätzt Sparkassen-Direktor Rebers die Zahl Bremer Honoratioren, „das waren vor hundert Jahren auch nicht mehr.“ Allerdings repräsentierten die Großbürger damals neben dem Reichtum auch die Macht in der Stadt. Heute fühlen sich viele der Industriellen und Kaufleute in der Diaspora: Mäzenatentum, so denkt sicher mancher, käme nicht nur ihrer Stadt Bremen zugute, sondern würde womöglich auch einer ungeliebten SPD-Regierung aus der Finanzpatsche helfen.

(Ein neuer Bremer Konsens täte not. Doch wer bewirkt ihn? Schließlich kann die Mehrheit nicht abdanken, weil Minderheiten verprellt sind. Anm. d. Chefred.)

Den schweren Orden für Ludwig Roselius begründete Hans Koschnick 1972 mit dessen „Verdiensten um die Erneuerung des kulturellen und geistigen Lebens in Bremen und über Bremen hinaus“, wobei Roselius „unter großem ideellen und finanziellen Engagement einen beispielhaften Gemeinsinn bewiesen“ habe. Jetzt ist der Ordensträger mit seinem Geld in der Schweiz und die Böttcherstraße verkauft. Vielleicht sollte die Laudatio damals nicht nur den teuren Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Böttcherstraße meinen, sondern Self -fulfilling Prophecy werden. Wenn es so war, dann ist der Versuch fehlgeschlagen.

Dirk Asendorpf