Ein opulentes Bilderepos

■ Ein Auto, ein Film, ein Anliegen: Francis Ford Coppolas Film „Tucker“ erzählt eine wahre Geschichte, die mit der inflationären Bilderflut nicht mithalten kann

Das Publikum mag von Francis Ford Coppola halten, was es will, kluge Antworten gibt der renommierte Regisseur nicht immer. „Ich will die Welt verändern“, sagte er auf die Frage nach der Absicht seiner Filme, nicht ohne hinzuzufügen, daß dabei die Tradition eine große Rolle spiele.

Nach seinen letzten Flops als Regisseur und Produzent muß der große Star nun kleine Brötchen backen. Zwar arbeitete er bei seinem neuesten Film Tucker mit dem millionenschweren George Lucas zusammen, doch so recht geholfen hat das auch nicht.

Woody Allen war acht Jahre alt, als ihn das Medium Radio erstmals und prägend vereinnahmte. Diese Affinität ließ ihn

nie los, und so war es nur eine Frage der Zeit, daß aus der Passion ein Kinowerk entstand: Radio Days. Mit Witz und Esprit entwickelte er einen Bilderbogen von Erinnerungen und Begebenheiten, denen das Merkmal der ganz persönlichen Sichtweise wie ein Gütesiegel anhaftete.

Nicht so bei Coppola. Auch er war acht Jahre alt, als ihn eine Kultfigur des „american dream“ faszinierte: der selfmade-man Preston Thomas Tucker. Dieser Auto -Enthusiast hatte es sich in den 40er Jahren in den Kopf gesetzt, ein Fahrzeug zu bauen, das seiner Zeit technisch und wirtschaftlich voraus war. 50 Automobile dieser revolutionären Bauweise wurden tatsächlich hergestellt, 46 davon fahren noch heute.

Vielleicht war es die Faszination des Mr. Tucker, mit deren Darstellung Regisseur Coppola die Welt verändern wollte, und vielleicht stand auch die uramerikanische Wirtschaftsphilosophie vom Tellerwäscher-bis-zum -Millionär-Traum für die Tradition Pate, doch erreichen vermag dieses Anliegen das Publikum kaum.

Die Gründe hierfür liegen, wie so oft, in der Diskrepanz von Inhalt und Form, oder filmspezifischer: Die Geschichte, die der

Film erzählen möchte, kann mit der inflationären Bilderflut nicht mithalten. Preston Tucker (Jeff Bridges), ein wahres Genie an Naivität und Fortschrittsglauben, ist der stets grinsende Jungunternehmer, der nur eines im Kopf hat: Er möchte ein Auto produzieren, das schnell, sicher, technisch raffiniert und preiswert sein soll. Das Wunder gelingt ihm auch in der Scheune neben seinem Haus in Ypsilanti, Michigan. Unter Mithilfe seiner gesamten Familie, einer ganzen Reihe alter und neuhinzukommender Freunde und einem gehörigen Schuß blauäugiger Unerschrockenheit schafft er das scheinbar Unmögliche. Sein Enthusiasmus erschließt Geldquellen, selbst wenn dies bei einem Luxusessen geschieht, bei dem er ekelerregende Unfallphotos mit tödlich Verletzten vorführt. Einfälle der skurrilen Art gibt es en masse in Tucker, doch den KinobesucherInnen wird sogleich auffallen, wer hier so augenscheinlich einwirkt. Es ist der Kameramann Vittoro Storario, der auch Der letzte Kaiser photographierte.

Eigentlich ist es sein Film. Kaum eine Einstellung, in der er nicht seine Kamera auf eine Reise durch Räume schickt, Ebenen aus verschiedenen Perspektiven be

trachtet oder einfach durch Zooms von der Totalen in die Großaufnahme das Leinwandgeschehen völlig vereinnahmt. Tuckers Gang eine Treppe hinauf wird zum Ereignis stilisiert, in erdrückendes Gold getauchte Salons und Flure erwecken den Eindruck imposanter Wohnlandschaften, an denen unsere Augen festkleben. Doch mit Coppolas Sichtweise hat das nicht viel zu tun. Trotz mancher Slapstickszenen bleibt der Film steril, die pompösen Bildsequenzen lenken den Blick vom Inhalt weg, und zuschlechterletzt ist das märtyrerhafte Scheitern des Sunnyboys nicht mehr von Belang.

Was bleibt, ist die Impression, einen bunten Film gesehen zu haben, dem nur die sichere und ordnende Hand eines Woody Allen gefehlt hat. Nichts gegen ein opulentes Bilderepos, aber Tuckers Motto ist in der Filmwirtschaft nicht zu gebrauchen. Es lautete: „Es ist die Idee, die zählt'und der Traum.“

Jürgen Francke