Das AKW und die Bewag

■ Die Bewag plante ein AkW auf der Pfaueninsel

Noch bevor in der Bundesrepublik ein einziges kommerzielles Atomkraftwerk in Auftrag gegeben worden war, plante die Bewag zu Beginn der 60er Jahre bereits einen 150-MW-Reaktor mitten in Berlin. Die Wahl des Standorts - die Pfaueninsel im Wannsee! - war nicht ohne Hintersinn. Der Großteil der West-berliner Bevölkerung konzentrierte sich jenseits des Grunewalds, aber bereits in unmittelbarer Nähe lagen Wohngebiete - der DDR. Bei einem schweren Unfall wäre jedoch auch die West-berliner Bevölkerung betroffen gewesen und hätte in das Gebiet der DDR evakuiert werden müssen.

Während die westdeutschen Energieunternehmen aufgrund fehlender staatlicher Subventionszusagen überhaupt keinen Gedanken an den Bau kommerzieller AKWs verschwendeten, teilte die Bewag dem Bonner Atomministerium kurzerhand mit, sie habe das AKW „fest eingeplant“, es seien nur noch „technische Voraussetzungen“ zu klären. Die unternehmerische Entscheidungsfreude der Bewag basierte auf dem festen Vertrauen, in Berlin für alles und jedes die nötigen Bundessubventionen zu erhalten. Im Atomministerium sah man jedoch allerhand Probleme. Man konnte sich ein AKW in Berlin nur vorstellen, wenn ein Sicherheitseinschluß des Reaktors auch einem „größtmöglichen Unfall standhielte“. Hierfür lag jedoch keine Konstruktion vor. Der TÜV zog sich mit einem sybillinischen Urteil aus der Affäre. Der Standort sei „nicht günstig“, aber „bei geeigneten technischen Vorkehrungen könne eine unzumutbare Gefährdung“ der Bevölkerung vermieden werden. Zu einer klaren Absage führte die ungeklärte Sicherheitslage jedoch nicht. Atomminister Balke sagte vielmehr, die Übernahme von 50 Prozent der Projektierungskosten zu.

Drei Monate vor dem Mauerbau gaben dann letztendlich politische Einsprüche den Ausschlag, den Atomreaktor nicht zu errichten. Obwohl sich die US-Regierung zu Rücksichtnahme auf das amerikanische Unternehmen Westinghouse verpflichtet fühlte, das den Antrag für das Kraftwerk erhalten sollte, ließ man die Bundesregierung wissen, daß man es grundsätzlich für erforderlich halte, vor dem Bau eines Reaktors mit „der Regierung des Nachbarstaats Fühlung aufzunehmen“. Die Vision, mit der DDR wegen des Reaktors verhandeln zu müssen, erschien der Adenauer-Regierung offenbar so unerträglich, daß sie sich „aus politischen Gründen“ zu einer eindeutigen Ablehnung aufraffte. Die Bewag stoppte das Projekt erst, als das Finanzministerium den Geldhahn zudrehte.

thol