Johan Imperator

Johan Cruyff übernimmt die Macht beim FC Barcelona  ■  PRESS-SCHLAG

Anno 1588, vor genau 400 Jahren, besiegelte im Ärmelkanal eine läppische Anzahl holländischer Barken, sei es auch mit Albions Hilfe, das Schicksal der glorreichen Armada und damit den späteren Untergang des spanischen Imperiums. Acht Jahrzehnte insgesamt bissen sich Spaniens Könige am kleinen David an der Nordsee die Zähne aus. Auch wenn das Jahr 1648 (Friede zu Münster) einen Bruch zwischen den spätfeudalen Habsburgern und den flotten Frühkapitalisten aus Amsterdam markierte: Die Verbindung ist - trotz veränderten Vorzeichens im Sinne des neuen Nord-Süd-Gefälles innerhalb der Europäischen Gemeinschaft - nie ganz abgerissen.

Eigentlich wollten die Spanier durch ihren Eintritt in die EG das Zeitalter des Absolutismus überspringen. In der katalanischen Metropole Barcelona scheinen sich die feudalen Verkehrsformen allerdings gerade erst jetzt zu überleben, wenn auch nur in den Katakomben des Stadion Nou Camp des Renommierclubs FC Barcelona. Der neue Trainer von „Barca“, Johan Cruyff, diktiert zur Zeit dem Vereinsvorstand die Kapitulationsbedingungen.

Vor Anfang der Saison schon hatte Cruyff „völlig freie Hand“ verlangt, und Barcelona-Präsident Nunez räumte ihm dies offenbar auf Druck des Vereins und seiner Anhänger widerwillig ein. Daß es dem eigensinnigen Amsterdamer ernst war mit seinen Forderungen, hatten die Vereinshonorigen offenbar nicht wahrhaben wollen, denn in altbewährt patrimonialer Manier diktierten sie ihrem früheren Liebling vor jedem Spiel die Mannschaftsaufstellung.

Eigentlich hätten sie ihn besser kennen müssen, denn schon in seiner aktiven Zeit beim FC Barcelona hatte Cruyff sich als Meister jenes Ränkespiels erwiesen, daß bei Barca so gern gepflegt wird. Er selbst hatte vor zehn Jahren nicht unwesentlich dazu beigetragen, Josep Nunez auf den Präsidentensessel zu hieven. Dessen Vorgänger, Agustin Montal, war sich seines mangelnden fußballerischen Sachverstands noch bewußt gewesen, die heutigen Vorstandsmitglieder aber fühlen sich durch Cruyffs Beharren auf alleinige Entscheidungsgewalt heftigst übergangen. Der teuerste Trainer, den Barcelona je hatte, duldet keine Nebenbuhler.

Er setzte durch, daß nahezu die gesamte Mannschaft vor der Saison verscherbelt und dafür eine neue gekauft wurde. Diese hält beharrlich Kontakt zu Spitzenreiter Real Madrid und hat sich nach dem 3:3 der Madrilenen am letzten Samstag gegen Bilbao bis auf einen Punkt herangepirscht.

Den Vorstand stellte er kurzerhand ins Abseits. Ganz übel stieß der Chefetage des Clubs Cruyffs eigenmächtige Anfrage bei Manchester United auf, was sie dort für Gary Lineker zu bieten bereit wären. Er dekretierte die Umkleidekabine für die Mitglieder seines Vorstands mit samt seines Präsidenten zum „off limits“ und kündigte außerdem an, nicht mehr an den traditionellen „Montagsdiners“, während derer der Vorstand dem Coach seine Wünsche kundzutun pflegt, teilnehmen zu wollen.

Schon spekulieren die spanischen Sportjournalisten, wen Cruyff zum nächsten Vereinspräsidenten küren wird.

Henk Raijer