Arbeiterpartei lehnt große Koalition ab - Kampf um Regierung geht weiter

Tel Aviv (taz) - In einer geheimen Abstimmung hat vorgestern nacht das 130köpfige Zentralkomitee der Arbeiterpartei eine große Koalition mit dem Likud-Block abgelehnt. Das bedeutete einen schweren Schlag für die führenden Kabinettsminister Rabin und Peres - Rabin war erneut das Verteidigungsministerium angeboten worden, und Peres war von Shamir für das Finanz- oder Außenministerium vorgesehen. Die Entscheidung des Zentralkomitees bedeutet jedoch noch nicht das Ende der langwierigen Verhandlungen zwischen den beiden großen Parteien und den vier kleinen religiösen Fraktionen. Die Arbeiterpartei bemüht sich nun eifrig, zwei der orthodoxen Parteien (Agudat Jisrael und Degel Hatora) auf ihre Seite zu ziehen, um Shamir zumindest bis Montag an der Bildung einer kleinen Koalition zu hindern - dann muß er nämlich Staatspräsident Herzog über den Erfolg seiner Bemühungen um die Regierungsbildung berichten. Er kann zwar den Präsidenten um weitere drei Wochen Frist bitten, aber der Präsident kann diese Bitte gewähren oder sie abschlagen

-und die Führer der Arbeiterpartei hoffen, daß Präsident Herzog statt dessen Peres zur Regierungsbildung auffordern wird. Wenn die Arbeiterpartei nachweisen kann, daß Peres eine bessere Chance zur Regierungsbildung hat als Shamir, könnte sie eine ausreichend große orthodox-religiöse Unterstützung gewinnen, um eine kleine Koalition aus Likud -Block, den Rechtsextremen und einigen religiösen Parteien zu blockieren. Im wesentlichen ginge dann der Kampf darum, wer in einer großen „Regierung der Einheit“ das Übergewicht hätte - denn die Führer des Likud wie der Arbeiterpartei wissen, daß kleine Koalitionen nur unsicher und kurzlebig wären.

Ein beängstigender Aspekt des gesamten Streits um die Regierungsbildung liegt darin, daß zentrale politische Fragen völlig außer acht bleiben. Es geht fast ausschließlich um Machtpositionen; die politischen Fragen reduzieren sich auf die Frage, ob es in Israel ein Gesetz geben soll, das nach orthodox-religiösen Kriterien definiert, wer ein Jude ist. Scharen von Delegationen der US -amerikanischen Juden strömen nach Israel, um für oder gegen dieses Gesetz Einfluß zu nehmen, auf dem einige der religiösen Parteien bestehen. Die Frage ist auch deshalb von Bedeutung, weil die finanzielle und politische Unterstützung der amerikanischen Juden für die Regierung auf dem Spiel steht. Die Frage von Krieg oder Frieden, von Verhandlungen mit den Nachbarn, steht nicht zur Debatte.

Amos Wollin