Neues Coming-out der Studenten

Demonstrationen gegen Regelstudienzeiten und überfüllte Hochschulen / Zeitgleich debattieren Kultusminister in Hamburg / Kohl sagt Hochschulen für die nächsten zehn Jahre eine Milliarde Mark mehr zu / „Mehr Studenten, weniger Geld, ist das die heile Welt?“  ■  Aus Hamburg Karl Nolte

Gegen überfüllte Hochschulen, gegen Regelstudienzeiten und für eine bessere Ausbildungsförderung demonstrierten gestern in Düsseldorf und Frankfurt mehrere zehntausend StudentInnen. Zeitgleich forderte bei einem Treffen der Kultusministerkonferenz in Hamburg der Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) die Kultusminister der Länder auf, ebenso wie der Bund in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Mark für die aus den Nähten platzenden Universitäten aufzubringen.

Allein in Düsseldorf folgten weit über 15.000 dem Aufruf des Asten der Bochumer Ruhruniversität. „Mehr Studenten, weniger Geld, ist das die heile Welt?“, hieß es auf den Transparenten, mit denen die StudentInnen gegen die Sparpolitik des Landes und der Bundesregierung protestierten. Selbst der Bochumer Universitätsdirektor, Knut Ipsen, rief die MitarbeiterInnen seiner von 135 Stellenstreichungen bedrohten Uni zur Teilnahme an der Protestkundgebung auf. Auch in Frankfurt demonstrierten an die Zehntausend. In einer Resolution forderten die StudentInnen eine angemessene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung der Universitäten. Nach ihrenm Willen soll weiter die Regelstudienzeit abgeschafft und die Studiengebühren aufgehoben werden.

Eine Milliarde Mark wird der Bund der Hochschulen in den nächsten zehn Jahren zusätzlich zur Verfügung stellen. Dies hat Bundeskanzler Kohl dem Präsidenten des DHV, Hartmut Schiedermair, persönlich zugesagt, versicherte dieser gestern vor der Presse.

Ein erster Teilbetrag des Geldes soll im Januar des kommenden Jahres in den Nachtragshaushalt eingestellt werden. Bonn knüpft diese Gabe jedoch an die Bedingung, daß auch die Länder gemeinsam eine Milliarde Mark für den Bildungsetat aufbringen. Die derzeit in Hamburg tagende Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) mochte sich gegenüber dem DHV jedoch nicht festlegen. Ein Gespräch der KMK mit Helmut Kohl am 15.Dezember soll jetzt eine endgültige Entscheidung herbeiführen.

Die jährliche Zugabe von 200 Millionen Mark ist nach Ansicht von DHV-Präsident Schiedemair geeignet, die unter Studenten-Überfüllung leidenden Unis „spürbar zu entlasten, wenn die Gelder gezielt und nicht nach dem Gießkannen-Prinzip eingesetzt werden“.

Weiter sprach sich der DHV dafür aus, weitere Professoren -Stellen unter der Maßgabe „künftig zu überprüfen“ (k.ü.) einzurichten. Der DHV gesteht damit den Kultusministern zu, diese Arbeitsplätze bei sinkenden Studentenzahlen in Zukunft wieder zu streichen. Möglichkeiten, die gegenwärtige Hochschulkrise schnell und effektiv zu lösen, sieht der DHV nach Auskunft von Schiedemair gegenwärtig nicht. Weiter sprach sich der DHV gegen eine administrative Verkürzung der Regelstudienzeit aus. „Das hat in der Vergangenheit stets gegenteilige Ergebnisse bewirkt“, erklärte der DHV -Präsident. Schuld an der langen Studiendauer trage nicht zuletzt die hohe Arbeitslosigkeit.

Den zu erwartenden Numerus Clausus in den Studiengängen Jura und Volkswirtschaft hält der DHV bereits jetzt für verfehlt, weil er „zu spät kommen und nicht greifen“ werde.