Türkei-Delegation auf der langen Bank

■ Wohl erst im Januar wird eine Bremer Parlamentsdelegation türkische Knäste besuchen / Hungerstreik in der Türkei und der Bremer Solidaritätsgruppe abgebrochen / Kaum noch Chancen für Sofort-Delegation

13 türkische Oppositionelle, seit Montag im Büro der Bremer Grünen im Hungerstreik, haben ihre Aktion gestern abend abgebrochen. Ziel ihres Streiks war, daß

eine Bremer Delegation sofort in die Türkei fährt und dort Gefängnisse besucht. 47 Tage lang haben dort politische Häftlinge im Hungerstreik gestanden, um ihre Le

bensbedingungen im Knast zu verbessern. „Teilweise“ habe die Bremer Gruppe ihr Hungerstreik-Ziel erreicht, sagte ein Sprecher gestern. Die Chancen dafür ste

hen indes schlecht. Denn der Hungerstreik in den türkischen Knästen ist fast zu Ende. Von den mehr als 2.000 Teilnehmern streiken nach offiziellen türkischen Angaben nur noch 166.

Am Mittwochabend diskutierten die Bremer Hungerstreikenden noch mit den Bürgerschaftsabgeordneten Barbara Noack (SPD) und Paul Tiefenbach (Grüne). Die Hungerstreikenden führten den beiden Politikern die Lage der politischen Häftlinge drastisch vor Augen: Selbst denen, die in einer türkischen Haftanstalt den Hungerstreik abgebrochen hätten, würde Zucker und Salz vorenthalten und bewußt schweres und gewürztes Essen, (z.B. Hülsenfrüchte) vorgesetzt, um sie gesundheitlich zu schädigen. Medizinische Versorgung gäbe es nicht. Eine Bremer Delegation müsse sofort aufbrechen, auch, weil dann die Folterinstrumente weggeräumt würden.

Die Runde einigte sich: Möglichst schnell sollte eine kleine „Vordelegation“ zusammengestellt werden, die sich schon in den nächsten Tagen auf dem Weg macht. Frühestens im Januar soll dann eine offizielle Delegation der Bremischen Bürgerschaft in die Türkei reisen. Diese Delegation hatte das Parlament mit den Stimmen von SPD und Grünen Anfang November beschlossen.

Noack und Tiefenbach versprachen den Bremer Hungerstreikenden, daß sie sich nach Teilnehmern für die „Vordelegation“ umsehen würden. Tiefenbach vorsichtig: „Wir können

eine solche Delegation hier jetzt noch nicht fest zusagen“. Dennoch erklärten die versammelten Hungerstreiker sich einverstanden. Gestern abend brachen sie ihren Hungerstreik ab, weil ein Ereignis eingetreten war, von dem sie am Vortag noch nichts wußten: Der Hungerstreik in der Türkei, mit dem sie sich solidarisiert hatten, war ebenfalls abgebrochen worden.

Dennoch verlangen die jungen Türken, daß die „Vordelegation“ sich sofort auf die Reise begibt. Gerade der Abbruch des Streiks sei ein gefährlicher Punkt, sagte ein Sprecher, weil das internationale Interesse jetzt plötzlich nicht mehr da sei. Die Behörden hätten jetzt die Gelegenheit, sich an den geschwächten Gefangenen zu rächen, von denen viele dringend ärztliche Hilfe bräuchten.

Doch die Chancen für eine solche „Vordelegation“ sind seit dem Ende des Hungerstreiks eher schlecht. Dem Grünen Paul Tiefenbach erscheint sie nach Abbruch des Hungerstreiks weniger sinnvoll. Sie sei als Spontanaktion gedacht gewesen, eine Antwort lebensgefährliche Lage der Hungerstreikenden in der Türkei. Die SPD-Abgeordnete Noack will sich dennoch weiter für eine schnelle Delegation einsetzen. Doch seit dem Ende des Hungerstreiks in der Türkei sei es schwieriger geworden, Mitreisende zu gewinnen.

So wird wohl frühestens im Januar eine Bremer Delegation die türkischen Knäste inspizieren.

us/mw