Ein Krokodil geht baden

■ Aktion für ein Buch über Etikettenschwindel: Erkennungszeichen - das bekannte grüne Reptil

11 Uhr vormittags, Treffpunkt Waschsalon. Zwei Penner dösen ihren Nachtrausch aus, andere warten auf saubere Wäsche. Versunken schreibt eine junge Frau einen Brief. „Tsüüp“, hält die Trommel mit hohem Fiepston. Und das muß er sein. Mit Aktenkoffer, Regenschirm und Cashmirmantel ist er einen Hauch zu schick für die Umgebung. Neben sich das Erkennungszeichen, ein Krokodil auf blitzweißer Tasche.

Bernhard Gebhardt macht eine Promotionstour für sein Buch „Schnelles Geld für falsche Echsen“. Heute will er im Schleudergang beweisen, daß es keinen qualitativen Unterschied zwischen den echten und falschen Krokodil -Artikeln gibt. „Kein Einlaufen und keine Verfärbung, wie immer behauptet wird, um die Luxuspreise zu rechtfertigen.“

Eingekleidet in Lacoste, steckt er ein Teil nach dem anderen in die Trommel, bis auf die karierten Boxershorts. „Ick hol‘ erst mal 'ne Pulle Whiskey“, kommentiert einer das Geschehen, und eine Frau ruft durch die Scheibe: „Wenn der sich weiter auszieht, hol‘ ich die Polizei.“ Gebhardt läßt sich nicht beirren und holt sich kalte Füße beim Posieren für die Fotografen. „Na, und die Krampfadern sollten auch ins Bild“, frotzelt einer.

Wie angepiekst redet Gebhardt drauf los, schließlich hat er 16 Monate im Krokodil-Geschäft recherchiert. Ausgangspunkt war eine kleine Story über geklaute Etiketten. Der Konzern Lacoste war wenig begeistert über seine Neugier, daher bezog Gebhardt seine Informationen von Zollfahndern, Kripo und Datenbanken. Ergebnis: Das Krokodil ist nur ein kleiner Ausschnitt der Lacoste-Produktion. „Vom Unterseeboot bis zur Mondrakete, vom Rattengift bis zum Rübenkraut reicht die Palette.“ Bei der Suche, was la-kostet die Welt, stieß Gebhardt auf das markensüchtige Verbraucherverhalten: „Crocoholics, oder die Lacoste-Generation geht bald in den Duden ein. Kinder reiben ihren Eltern die Faust unter die Nase, weil sie nur noch Markenartikel wollen. Die Eltern schweigen und zahlen.“

Gebhardt prognostiziert: „Das Krokodil geht baden. Wer will noch ein Hemd tragen, das sich jeder Hausmeister leisten kann.“ Die echten Krokodile seien auf dem Weg ins Reich der bedrohten Arten, auf ein echtes kommen neun falsche Etiketten.

Über die lasche Bestrafung von Markenfälschern ist Bernhard Gebhardt empört. Produktpiraterie lohnt sich. Die Piraten seien vor allem im „Rotlichtbezirk“ zu finden. Das Sexgeschäft liege wegen Aids lahm, und die kapitalkräftigen Luden könnten sich die teuren computergesteuerten Stickmaschinen für Etiketten leisten. Bei diesem Kapitel der Wirtschaftskriminalität würden alle Augen zugedrückt.

Gebhardt hat sich mehr einfallen lassen als die Aktion im Waschsalon, um sein Buch zu verkaufen. Hinter sich hat er eine Luftbodenlesung am Fallschirm und vor sich eine Krokodilverfütterung auf der Kölner Domplatte. Ein Krokodil aus Marzipan, denn inzwischen ist er ein Fan der wirklich echten Krokodile geworden und plant ein Krokodilhaus in Gelsenkirchen.

Petra Schrott

Bernhard Gebhardt „Schnelles Geld und falsche Echsen“, Sobkowiak Verlag, 19,80 Mark (5 Mark weniger als Markensocken).