OH DU FRÖHLICHE

■ „Granat Theater“ zeigt „Ein Phönix zuviel“

Wahrliche Wunder wirket die Liebe: da läßt sie eine Lebende aus ihrer Gruft auferstehen und bringt einen Toten an den Galgen.

So in Christopher Frys Komödie Ein Phönix zuviel, die die antike Fabel der Witwe von Ephesus aufgreift. Diese, Dynamine, wahrt Treue dem Gatten bis zum Tode und darüber hinaus. Dem verehrten & verstorbenen Virilius folgt sie in die gruftige Höhle. Sterben und neue Einigung im Hades ersehnend, begleitet von der Dienerin, der es gleichwohl Treue wie auch das schon höhere Alter erleichtern, den Todeswunsch zu teilen. Dennoch ist sie die erste, die dem Wein und dem Charme des Soldaten Tegeus verfällt, der, nachdem er neugierig und leichtfertig seine Wache über sechs aus obskuren Gründen Gehängte, die doch der öffentlichen Schau erhalten bleiben wollen, verlassen hat, in die Höhle stolpert. Er hat freilich nur Augen für die schön schlafende Dynamine die, nachdem sie die ihren geöffnet hat, nicht gar so lange zögert & sich ziert, in ihm den Grund zu neuerlicher Liebe zum Leben zu entdecken. Zumal er ihr doch so fein herzuleiten weiß, daß der Schatten Virilius ihr nichts Besseres wünschen kann, als daß sie ihr Leben in Freude lebe. Doch nun hat Tegeus ein Problem: man hat ihm einen seiner Gehängten geklaut, ihm droht nun gleiche Bestrafung. In der Angst um den neuen Geliebten, der sich präventiv selbst zu töten droht, ringt sich Dynamine durch, den früheren zu opfern: der verehrte & verstorbene Virilius muß nun den Galgenvogel vertreten.

Das scheint ein Stück herben Humors zu sein, um so erstaunlicher, da es 1946 geschrieben und uraufgeführt wurde. In einer Zeit also, in der die Welt, nachdem sie die Wahrheit über die KZs erfahren, nach einem Krieg, der von beiden Seiten auch gegen die Zivilbevölkerung geführt wurde, in den Trümmern die Trümmer aller Humanität zu erblicken wähnte. Wollte Fry sich dazu äußern? Immerhin bedient er sich hehrer Auferstehungssymbolik: nennt nicht nur den Phönix, der, nachdem er sich selbst verbrannte, sich stets aus der Asche reinkarnierte, läßt auch seine Witwe, wie weiland Christum, am frühen Morgen des dritten Tages aus ihrer Gruft auferstehen. Dann wäre er im schwarzen Humor so und zu weit gegangen, daß er den Lebenden nahelegte, zugunsten ihrer neuen Lebensverbundenheit, die Toten nicht nur zu vergessen, sondern gar zu entehren?

Soweit ging er nicht. Das Stück bleibt eben doch im alten Griechenland. Fry hat nicht auf die Probleme, sondern auf die Stimmung seiner Zeit reagiert - wie auch in späteren Stücken - der Depression und dem Pessimismus eine recht innerliche Lebensfreude und Fröhlichkeit entgegengesetzt naiv, möchte man sagen. So bleibt ein Stück, das recht allgemein die Liebe alle Unbill aus der Welt schaffen läßt. Wenn das Stück seiner Zeit so wenig zu sagen wußte, was soll es der unseren sagen?

Ein Phönix zuviel ist die erste Aufführung des „Granat Theaters“ (Regie: Jens Ehrke). Da mag es angehen, daß bisweilen die Nervosität des schüchternen Verliebten vielmehr die seines Darstellers ist, das mancher abrupte Wechsel im Timbre die Regieanweisung verrät, man also nicht zurück zum Natürlichen gefunden hat. Doch zeigt die Aufführung im Ganzen einen professionellen Ansatz und großes Bemühen, dem sprachlich und schauspielerisch anspruchsvollen Stück gerecht zu werden. Manche Szenen wachsen schon in einen einheitlichen Ausdruck hinein, zu dem sich das ganze Spiel noch entwickeln könnte. Das sieht man doch lieber, als nicht so seltene Zufriedenheit in Halbheiten.

glagla

„Granat Theater“ zeigt Ein Phönix zuviel am 2., 3., und 11.Dezember um 20 Uhr im Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1; 1/61