Schreiben Männer anders?

Der lange Weg zur Müdigkeit  ■  Von Luise F. Pusch

Daß auch Männer schreiben, und zwar viel zu viel, ist traurige Gewißheit. Ob sie aber anders schreiben als Frauen

-diese Frage nach dem „männlichen Ästhetick“ läßt den postmodernen Mann nicht mehr zur Ruhe kommen. Ein Tagungsbericht aus Bad Schmoll von unserer Korrespondentin und Mittuterin Luise Pfusch.

Alle, alle waren sie manngereist, von Dürrenmax-Frisch bis zu Reich-Rizinus, von Peter Schandke über Günter Griess bis Martin Wälzer. Die Einfalt und Breite der Themen war enorm kein Zweifel: In Männerhirnen tut sich wieder was. Hier ein paar Proben aus der Fülle des Manngebots:

Die Gruppe „Deutsche Aufklärung“ schlug sich unter anderem mit dem blutigen Problem herum, was denn an einem Stück wie Camelia Galotti (oder hieß sie vielleicht doch Emilio? d.s.in) überhaupt noch männlich sei.

In der Gruppe „Humannismus und Deformationszeit“ ging mann beherzt der Frage auf den Grund, ob der Orgasmus von Rotterdam wirklich ganz männlich gewesen sein könne. Auch die Männlichkeit von Martin Puder wurde ernsthaft bezweifelt. Der Nachweis, Puder heiße eigentlich Puther, wollte nicht gelingen.

Hölderlein, Heini, Möricke - schon diese Namen wirkten plötzlich verstörend, von ihrer Lyrik und von Grimms Härchen erst gar nicht zu reden! Die deutsche Romanntick macht ihrem Namen keine Ehre, so wurde ebenso einhellig wie bekümmert festgestellt. Und schließlich: Die Faust von Joh. Wolfg. von Kroethe! Allgemeines Mißbehagen machte sich breit.

Den musikalischen Rahmen bildeten Werke von Verrutscho Busoni unter dem Dirigat von Riccardo Mutti, was die Stimmung noch weiter verdüsterte.

In der russischen Sektion ging es hitzig um die Frage der Männlich- oder Weiblichkeit Drostojewskys. Der Hinweis auf seinen Roman Schuld & Söhne schaffte kaum Beruhigung.

In der Sektion „klassische Moderne“ war mann zuversichtlicher. Alles drehte sich um die Brüder Mann, natürlich. Auch die Romannisten konnten frohlocken: An Ballsack ist alles männlich, aber auch alles.

Na denn: Proust Mahlzeit!