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'Prawda‘ spricht von Partisanenkrieg

■ Kaukasus-Krise: Gorbatschow trifft Parteichefs aus Armenien und Aserbeidjan / Sondergesandter des ZK macht „korrupte Elemente“ in Partei für Unruhen mitverantwortlich

Moskau (dpa/afp/ap) - Michail Gorbatschow ist am Donnerstag mit den Parteivorsitzenden der Unionsrepubliken Armenien und Aserbeidjan, Aruntunian und Wesirow, zusammengetroffen. Der Sondergesandte des sowjetischen Zentralkomitees in der transkaukasischen Region, Arkadi Wolski, machte vor der Presse „korrupte Elemente“ in beiden Parteiführungen für die Unruhen mitverantwortlich. Die Ereignisse nähmen einen „offen bedrohlichen Charakter“ an. Die benachbarten Sowjetrepubliken seien „am kochen“ und die Massenmedien gössen Öl ins Feuer.

Gleichzeitig forderte das armenische Karabach-Komitee wegen der Lage der Armenier in Aserbeidjan eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Ein Sprecher erklärte telefonisch aus Eriwan: „Mehr als eine halbe Million Armenier sind dort vom Tode bedroht!“ Die sowjetische Regierung sei nicht willens oder in der Lage, deren Sicherheit zu garantieren. In Moskau berichteten weitere Augenzeugen, daß bei Demonstrationen in der aserbeidjanischen Hauptstadt Baku grüne Islam-Fahnen und Chomeini-Porträts mitgeführt worden seien. Eine Moskauer Zeitung veröffentlichte sogar ein Foto aus Baku, auf dem die türkische Nationalfahne zu erkennen ist. An den Armeniern in der Türkei war 1915 ein Völkermord verübt worden. Neue Zahlen nannte die 'Prawda‘: Blutige Auseinandersetzungen im Kaukasus hätten in den letzten 14 Tagen 28 Menschenleben gefordert. In manchen Bezirken sei die Lage mit einem „Partisanenkrieg“ zu vergleichen, es gebe Todesopfer bei „Feuerwechseln“. Schon am Mittwoch hatte die amtliche armenische Nachrichtenagentur gemeldet, daß in Armenien in den letzten acht Tagen elf Menschen getötet worden seien: zehn Aserbeidjaner und ein Armenier, letzterer in der Stadt Goris, als Aserbeidjaner auf armenische Demonstranten schossen. In Kalinino, im Norden der Republik, sei ein Aserbeidjaner, der in eine Gruppe Armenier geschossen habe, von der wütenden Menge gesteinigt worden. Nach Angaben des armenischen Außenministeriums flüchteten seit Februar insgesamt 22.000 Armenier aus Aserbeidjan und 40.000 Aserbeidjaner aus Armenien. Das aserbeidjanische Außenministerium spricht dagegen von 55.000 aserbeidjanischen Flüchtlingen.

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