Zweitregister: Einsame SOS-Rufe

■ Zentrale Protestkundgebung der ÖTV gegen das Zweite Schiffsregister / Bundestagsdebatte am kommenden Freitag Keine Kampfaktionen geplant / SPD läßt Normenkontrollklage scheitern

Sogar Heidi Kabel ist mit den Seeleuten soldiarisch. Von ganzem Herzen und aus einem ganz praktischen Grund: „Das Leben der Seeleute ist der lebendige Stoff, aus dem unsere musikalischen oder Theaterträume gewoben sind“, schrieb sie mit 16 Schauspielern und Musikern von Hamburger Ohnesorg -Theater. „Der traditionsreiche Beruf des Seemanns darf nicht aussterben...“

Genau das befürchteten die mehr als 1.000 Seeleute und Gewerkschafter anderer Branchen, die sich am Samstag zur zentralen Protestkundgebung der ÖTV in der Bremer Stadthalle versammelt hatten. Sie quittierten den Theatergruß mit rauschendem Beifall. Fast theatermäßig kostümiert trat auch Bremens Hafen-und Schiffahrtssenator Konrad Kunick am Samstag ans Rednerpult: Er trug einen Seemanns-Pullover und grobe Manchester-Hosen. Die SPD-Fraktion im Bundestag werde das „Ermächtigungsgesetz“ über ein Zweites deutsches Schiffsregister ablehnen, verkündete er.

Das Gesetz über das Zweite Schiffsregister soll am kommenden Donnerstag in Zweiter und Dritter Lesung über die Bühne des Bundestages gebracht werden. Danach wird den Reedern ermöglicht, ausländische Seeleute auf ihren Schiffen anzuheuern und sie zu den billigen Tarifen ihrer (meist fernöstlichen) Heimatländer zu bezahlen. Und das nicht etwa unter den Flagge einer Bananenrepublik, sondern unter „Schwarz-rot-gold“. Eine

„Flagge mit unsichtbarer Banane“ nannte Eike Eulen, Mitglied des ÖTV-Hauptvorstandes deshalb die Bundesflagge am Heck dieser Schiffe.

Die ÖTV befürchtet, daß die Reeder nach diesem Gesetz alle deutschen Seeleute gegen billige Ausländer ersetzen werden. „17.000 rufen SOS“, hieß deshalb eine Parole aus reisigen roten Buchstaben in der Bremer Stadthalle. Eine andere: „Wir deutschen Seeleute wollen nicht ins Museum“.

Eike Eulen rechnete vor, daß dieses Gesetz nicht nur den Seeleuten, sondern auch der öffentlichen Hand teuer zu stehen kommen wird: Fast 400 Millionen Mark würde an Steuern und an Beiträgen zur Sozialversicherung verloren gehen, allein schon, wenn nur 10.000 deutsche Seeleute durch Ausländer ausgetauscht werden.

Das Gesetz widerspreche ferner der Verfassung der Bundesrepublik, sagte Eulen. So dem Artikel 3, der die Benachteiligung nach der Herkunft verbietet und dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20. Die ÖTV werde Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einlegen, kündigte er an.

Aber wie? Vor drei Wochen sind der ÖTV-Vorstand und Seebetriebsräte in Hamburg übereingekommen, im Bundestag eine Normenkontrollklage in Gang zu setzen. Der Vorstand wollte alle Bundestagsabgeordneten auffordern, mit ihrer Unterschrift die Klage zu unterstützen. Denn: Mindestens hundert Abgeordnete

müssen die Klage unterzeichnet haben, damit sie vor dem Bundesverfassungsgericht zugelassen wird. Doch bis heute hat der ÖTV-Vorstand die Abgeordneten

nicht angesprochen. Die Grünen Parlamentarier haben sich indes von sich aus bereiterklärt, die Normenkontroll-Klage zu unterstützen, doch die 43 Unterschrif

ten ihrer Fraktion reichen nicht. In der vergangenen Woche sprach ÖTV-Vorsitzende Monika Wulf-Mathies mit SPD-Chef Hans -Jochen Vogel - offensichtlich ohne konkretes Ergebnis. Gegenüber der taz gab sich ÖTV-Vorständler Eike Eulen zugeknöpft: „Wir sind im Gespräch mit der SPD, deshalb kann ich dazu keine Aussage machen“.

Eine Absage erteilte Eulen anderen Kampfmöglichkeiten ge

gen das drohende Zweit-Regi ster: Protestaktionen während der Arbeitszeit hatte Jürgen Söncksen gefordert. Der quirlige Betriebsratsvorsitzende von Hapag Lloyd hatte auch daran erinnert, daß die Seeleute zu allen gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen bereit seien. Eulen hält davon wenig: „In Zusammenhang mit der Bundestagsdebatte dieser Woche wird es keine gewerkschaftlichen Aktionen geben“.

mw