GEWINNEN IST MÖGLICH

■ Senatsrockwettbewerb, 6.Teil = sechs Freitage = 18 Stunden

Wind und Wetter sind seit „Drei Wetter Taft“ für die Gourmets der musikalischen Ergüsse kein Hindernis an Unterhaltung. Diejenigen, die um 21.00 Uhr den Sprung in den geheizten Saal gewagt hatten, wurden von der Chelsea Flower Show mit heftigen Takten lauthals begrüßt. In einer Art Potpourri-Rundumschlag a la „Spliff Radio Show“, nur Kreuzberg-mäßiger, saugten fünf Rauhbeinige im Endzwanziger -Stadium dem Verteilerkasten den Strom aus der Leitung. Hungrige Blicke stachen auf einen singenden Blondschopf mit Silberblick ein. Animalisch und rockerhaft turnte er unermüdlich dank kabellosem Mikro über die Bühne; die Mimik dazu konnte auf keinen Fall vererbt sein. Der Garagen(Punk) -Rock mit dem abheulenden Gitarrentornado, den Groove halb im Halfter, war die Zugabe wenigstens noch wert. Und vielleicht 5.000 Mark aus der Senatskasse.

„Bei Konzertbeginn heften sich die Augen des Hörers mit größter Sicherheit an den Singenden. Details, wie Kleidung, Haare, Schuhe und wie er/sie das Instrument spielt, wird abtaxiert. Der rastlose Blick hält am Mund fest; jetzt erst registriert der Betrachtende die Stimme. Ob der Gesang gefällt, ergibt sich aus dem Gesamteindruck. Hat sich das Bild des Vokalisten fest eingeprägt, irrt der Blick weiter, meistens zur Gitarre, dem populärsten Instrument in der Rockmusik. Auch hier werden Gestik, Bewegung, Mimik und Können des Spielenden zu einem visuellen Gesamteindruck ausgewertet. Laut Statistik betrachten rund 79 Prozent des Publikums den Baßspieler nach den beiden genannten Musikerarten; aufgrund der rein rhythmisch begleitenden Aufgabe wird dieser eher unauffälligen Sorte Mensch kaum Beachtung geschenkt. 62 Prozent der Hörer schätzen diesen Instrumentalisten als introvertiert ein. Schlagzeuger haben wegen ihres Standortes eine schlechtere Position - der Beobachtende kann sich nach einem Konzert an diesen am wenigsten erinnern. Zum Schluß versucht der schweifende Blick einen Gruppeneindruck zu bekommen. Stimmt die optische Struktur, z.B. in harmonischer Bewegung, sendet das Gehirn Reize an die Körpermuskulatur aus: Ein physischer Rhythmus, bis in die Füße, wird in Gang gesetzt. Nicht unerheblich für das persönliche Empfinden ist die Reaktion des übrigen Publikums. Ein letzter Blick in die nähere Umgebung entscheidet, ob der subjektive Geschmack mit dem der Mehrheit übereinstimmt. Häufig verschmilzt an dieser Stelle das Individuum als Teil des Ganzen und nicht selten ordnet es sich dem Massengeschmack unter. Der Mensch hat das Vertrauen in seinen Eigeninstinkt verloren.“ (aus: C.K., Soziologie und Schuldbewußtsein in der Musik, 1986)

Die High Jinks setzten sich zur Hälfte aus Lokalmatadoren zusammen, die jedes Jahr in einer anderen Band versuchen, den abgekauten 60er-Revival-Beat in allen Varianten zum zigsten Mal durchzusetzen. Dabei fing es noch so vielsagend an: Ein bleiches Madel intonierte folkiges über spärlichem Instrumentenhintergrund und schrammelte dabei angestrengt auf ihrer Gitarre rum. Als dann aber gleich drei Gitarren auf der Bühne stehen und sich winden und schinden, reicht's mir: Tresenflucht.

Poems for Laila am Ende haben erstens die attraktivsten Musiker und die attraktivste Sängerin des Abends und bringen zweitens noch etwas Abwechslung in die rockige Einheitskost des Wettbewerbs. Das merkwürdig betont-gebrochene Englisch hat südländischen Charakter, und der Sound reicht von Besinnlichem bis hin zur polnischen Polka. Höchstwahrscheinlich sieht man die fünf lustigen Musikanten in zwei Wochen neben „Jingo de Lunch“ als Gewinner wieder.

Connie Kolb