Berliner CDU stimmt Untersuchung zu

■ Christdemokraten wollen sich nicht gegen die SPD-Forderung in Sachen Verfassungsschutz-Skandal stemmen / 'Spiegel‘: 100.000 Dossiers über Westberliner Bürger angelegt / Heftige Angriffe gegen SPD

Berlin (taz) - Die Berliner CDU will der SPD-Forderung nach einem Untersuchungsausschuß zum Skandal um den Berliner Verfassungsschutz zustimmen. Diese Ankündigung verbanden die Christdemokraten am Wochenende mit heftigen Vorwürfen gegen die Berliner Sozialdemokraten.

So beschuldigte CDU-Generalsekretär Klaus Landowsky die SPD „der leichtfertigen Gefährdung von Menschenleben, weil sie aus rücksichtslosen politischen Motiven Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bloßgestellt und enttarnt“ hätten. Der 'Spiegel‘ berichtet unterdessen in seiner heutigen Ausgabe, daß der Berliner Verfassungsschutz weit über 100.000 Dossiers über Westberliner Bürger angelegt habe.

Die SPD, so Landowsky weiter, lege es darauf an, „gemeinsam mit der linksextremistischen Alternativen Liste den Verfassungsschutz kaputt zu machen“. Nach seinen Worten werden jetzt auch zwei Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gegen den Berliner SPD-Vorsitzenden Walter Momper Strafantrag wegen Verleumdung stellen. Auch wenn der SPD -Antrag rechtlich bedenklich sei und in einem direkten Zusammenhang mit dem Wahltermin stehe, werde sich die CDU „nicht gegen die Einsetzung des Ausschusses stemmen“, erklärte deren Fraktionschef Buwitt.

Acht Wochen vor der Wahl zum Berliner Abgeordenetenhaus soll am kommenden Freitag über die Installierung des Ausschusses entschieden werden. Für SPD-Sprecher Kolhoff ist sicher, daß dann Punkt für Punkt offengelegt werde, „daß der Verfassungsschutz die taz als Ganzes beobachtet, Informationen über zahlreiche Journalisten gesammelt und selbst Journalisten als Informanten eingesetzt hat“. Die Äußerung Landowskys, die SPD habe Menschenleben gefährdet, wertete Kolhoff als „eine ungeheure Entgleisung“ und einen „Teil des beginnenden Schmutzwahlkampfes der CDU“. Der 'Spiegel‘ veröffentlicht in seiner heutigen Ausgabe neue Details über die Bespitzelungsaktionen der Berliner Verfassungsschützer. So soll auch der Fotograph Paul Glaser observiert worden sein, nachdem die Telephonüberwachung eines kommunistischen Funktionärs ergeben hätte, daß sich er und Glaser duzten. Über den Politologen Tilman Fichter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesvorstand der SPD und zu APO-Zeiten aktives SDS-Mitglied, soll ebenso eine Akte angelegt worden sein wie über den Künstler Ben Wargin. Anlaß, so der 'Spiegel‘, sei in diesen beiden Fällen eine Sitzblockade vor einem Raketen-Depot gewesen.

Wolfgang Gast