„Starkes Stück“

■ Ex-AL-Abgeordnete und Pfarrer wegen Busblockade verurteilt

Die ehemalige AL-Abgeordnete Rita Kantemir und ein Pfarrer sind gestern in zweiter Instanz vom Landgericht wegen Nötigung zu Geldstrafen von 2.700 sowie 9.000 Mark verurteilt worden. Der Urteilsbegründung zufolge hatten die Angeklagten am 14.Juni 1985 vor dem Flughafen Tegel einen Bus mit nach ihrer Vermutung nach nicht ausreisewilligen Asylbewerbern aus dem Libanon an der Weiterfahrt gehindert.

Frau Kantemir verließ während der Urteilsbegründung den Gerichtssaal, nachdem die Vorsitzende Richterin erklärt hatte, beiden Angeklagten könne nicht verborgen geblieben sein, daß viele das Ayslrecht mißbrauchten und schon mit Rauschgift in der Tasche nach Berlin einreisen würden. Außerdem sei mit der Busblockade ein empfindlicher Punkt Berlins getroffen worden, zumal der Luftweg für viele die einzige Möglichkeit sei, die Stadt zu verlassen. An den Seelsorger gerichtet betonte die Richterin, daß gerade ein Pfarrer zu besonderer Wahrheitsliebe aufgerufen sei. Der Pfarrer, der Revision einlegen will, bezeichnete dies als „wirklich starkes Stück“. Am vorausgegangenen Prozeßtag hatten beide Angeklagten betont, daß sie sich als Politikerin beziehungsweise Pfarrer schon lange intensiv um die Problematik der Abschiebung in ein Bürgerkriegsland gekümmert hätten.

Der Pfarrer hatte gesagt, er habe nicht aus „Jux und Dollerei“ gehandelt, sondern sich um Menschlichkeit bemüht.

taz