Nostalgie bei Venezuelas Wählern

Mit 54 Prozent der Stimmen wurde am Sonntag der Sozialdemokrat Carlos Andres Perez zum zweiten Mal Präsident / Der große Freund des Ex-Sandinisten Eden Pastora und Kommunistenfresser übernimmt die Regierung eines hochverschuldeten Landes  ■  Von Michael Rediske

Berlin (taz) - Die venezolanischen Wähler sind wohl nicht die einzigen auf der Welt, deren Gedächtnis selektiv funktioniert. Am Sonntag hievten sie mit großer Mehrheit ihren Ex-Präsidenten Carlos Andres Perez ein zweites Mal ins Amt. Im Gedächtnis behalten hatten sie, daß zwischen 1974 und 1979, in der ersten Amtszeit des Kandidaten der sozialdemokratischen Accion Democratica als Staatspräsident, das Land einen unvergleichlichen Boom erlebt hatte - dank der Erdölpreise, die damals auf das Vierfache hochschnellten. Vergessen haben die 54 Prozent Perez-Wähler (Gegenkandidat Eduardo Fernandez von der christdemokratischen COPEI erhielt rund 34 Prozent) dagegen, daß der heute 66jährige mit hochtrabenden Entwicklungsplänen damals auch dafür sorgte, daß die Außenverschuldung des Landes von 2,5 auf 16,5 Milliarden Dollar hochschnellte. Heute liegt sie gar bei 31 Milliarden, und in diesem Jahr muß der Staat, der 90 Prozent seiner sieben Milliarden Deviseneinnahmen aus dem Erdölgeschäft bezieht, davon 5,6 Milliarden an seine Gläubiger überweisen. Wenig bleibt, um die „absolute Armut“, unter der laut einer Studie der Universität von Caracas 40 Prozent der 15 Millionen Einwohner leiden, zu bekämpfen.

Dennoch hat der künftige Präsident erklärt, daß er von einem Gläubigerklub nichts hält. Seine Vorstellung: Die Schuldner sollen eine Art Gegenvereinigung zur Organisation der Industrieländer OECD gründen. Die könnte dann „global einen Rahmen für Verhandlungen ausarbeiten, in dem jedes Land seine eigene Umschuldung aushandeln kann“.

Mit der Wahl von Perez brechen die venezolanischen Wähler zum ersten Mal seit den fünfziger Jahren das Gesetz der Serie, nach dem der Kandidat der Regierungspartei die Wahl regelmäßig verliert. Diesmal übergibt Staatspräsident Jaime Lusinchi, der nach der Verfassung nicht unmittelbar wiedergewählt werden kann, sein Amt an einen Parteifreund. Auch nach seinem Abtritt 1979 war Perez weiter der starke Mann der Accion Democratica geblieben - vor allem auf dem internationalen Parkett. Er bestimmte wesentlich die Lateinamerikapolitik der Sozialistischen Internationale (SI) mit - zeitweise als Chef der regionalen SI-Kommission. Sein Image hatte er 1977 begründet, als er gemeinsam mit Willy Brandt auf einer Konferenz in Caracas die Lateinamerika -Offensive der SI einleitete. Wichtiger noch war 1978: Damals war er - als persönlicher Freund des damaligen Sandinisten-Kommandanten Eden Pastora - der maßgebliche Finanzier der FSLN in Nicaragua, der auch für den Waffennachschub über Panama sorgte. Als dann aber Eden Pastora sich 1981 von den Sandinisten lossagte, mobilisierte Perez seinen alten Haß gegen die marxismusverdächtige Regierung in Managua. In Venezuela hatte er als Innenminister Anfang der sechziger Jahre eine marxistische Guerillagruppe mit militärischen Mitteln aufgerieben. Und in den achtziger Jahren setzte Perez in der SI immerhin durch, daß man dort auf immer mehr Distanz zur FSLN ging. Um nachzuhelfen, lud er auch schon mal Contra-Führer wie Arturo Cruz oder Pastora zu sich nach Caracas oder auf ein SI -Treffen ein.