Töpfer lobt Störfall-Vertuschung

Brisanz des Biblis-Störfalls von Aufsichtsgremien lange unterschätzt / Töpfer sah keinen Anlaß, die Öffentlichkeit zu unterrichten / Bonner Opposition und Atom-Gegner werfen Bonner Behörden und Aufsichtsgremien bewußte Vertuschung vor  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Bundesumweltminister Töpfer deckt die Geheimhaltung des schweren Störfalls in Biblis. Der Vorgang sei „nichts Außergewöhnliches“, sondern im Rahmen der „Gepflogenheiten“ bei „vergleichbaren Fällen“ abgewickelt worden, sagte er gestern in einer eilig einberufenen Pressekonferenz zu den Enthüllungen über den Störfall vom Dezember 1987. Die Bonner Oppositionsparteien, Bürgerinititativen und das Darmstädter Öko-Institut sprachen dagegen von der bewußten Vertuschung eines schwerwiegenden Unfalls. Dazu, was im Dezember 1987 tatsächlich passierte, tat sich gestern in Bonn eine Fülle von Ungereimtheiten auf, die in ihrer Summe wiederum erhellend sind: Der Störfall wurde vom Biblis-Betreiber nach eigenem Ermessen zunächst in die unterste Kategorie von Störfallen - „N“ - eingestuft und so dem Hessischen Umweltministerium gemeldet. Erst bei der „routinemäßigen Überprüfung“ der Vorkommnismeldungen („N„-Störfälle gibt es rund 400 pro Jahr) sei bei der Hessischen Aufsichtsbehörde und der Störfallmeldestelle des Bundes „der Verdacht“ entstanden, daß es sich doch um ein Ereignis von größerer Bedeutung gehandelt habe, nämlich um „ein potentiell sicherheitsrelevantes“ Ereignis, wie die Reaktorsicherheitskommission (RSK) es heute nennt. In den Beratungen der Fachgremien, wozu auch der Bund-Länder -Arbeitskreis „Aufsicht Reaktorbetrieb“ gehörte, wanderte der Störfall zwischen Mai und September dieses Jahres schließlich in die Kategorie „E“: „Eilt“. Für eine Unterrichtung der Öffentlichkeit sah man allerdings auch zu diesem Zeitpunkt keinen Anlaß. Trotzdem könne von Geheimhaltung keine Rede sein, so Töpfer, denn sämtliche Fachgremien, Betreiber und Sachverständige seien „breit“ unterrichtet worden.

Nach der gestrigen Darstellung des Bonner Umweltministeriums muß der Umgang mit dem Biblis-Störfall sogar als geradezu vorbildlich erscheinen. Denn, so Töpfer, hätte man im Dezember vergangenen Jahres, der Öffentlichkeit das Ereignis als „N„-Vorfall dargestellt, „dann wären wir nachher der Verharmlosung bezichtigt worden“. Töpfer beschrieb den Störfall als „gleichzeitiges Auftreten von unzutreffenden Anzeigen, nicht wahrgenommenen Meldungen durch die Betriebsmannschaft und menschlichen Fehlhandlungen“. Das Ministerium könne heute demnach feststellen, daß der Anlagenzustand von den Verhältnissen im havarierenden Reaktor Harrisburg „weit entfernt“ war. Daß als Konsequenz aus einem Störfall technische Veränderungen in anderen Reaktoren vorgenommen und Handbücher geändert wurden, sei „mehrfach“ vorgekommen, behauptete der RSK-Vorsit zende Birkhofer. Töpfers Resümee: „Wir haben nichts verheimlicht, und wir werden es auch in Zukunft nicht tun.“ Tagesthema Seite 3

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