Südafrikas Justiz schlägt wieder zu

■ Höchststrafe von sechs Jahren Gefängnis für weißen Kriegsdienstverweigerer / Heute Strafmaßverkündung für Oppositionsführer der UDF / Verhängung der Todesstrafe ist möglich / Bekannte südafrikanische Schriftstellerin setzt sich für Verurteilte ein
Aus Pretoria Hans Brandt

Die Gerichte des Apartheidstaates schlagen erneut zu: Zu sechs Jahren Gefängnis wurde am Montag in Johannesburg der 18jährige Charles Bester verurteilt, weil er den Kriegsdienst verweigerte. Der junge Weiße, der für eine kirchliche Anti-Apartheidorganisation arbeitet, sagte vor Gericht, sein „christliches Gewissen“ erlaube ihm nicht, an dem „Unheil“ teilzunehmen, das die Armee über die schwarze Bevölkerungsmehrheit bringe. Im Juli war bereits der 26jährige David Bruce wegen Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ebenfalls zur Höchststrafe von sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Zur selben Zeit protestierten Hunderte von Unterstützern vor dem Obersten Gericht in Pretoria, wo die Führer des Oppositionsbündnisses UDF, Moss Chikane, Patrick Lekota, Popo Molefe, und der Mitarbeiter des südafrikanischen Kirchenrates, Thomas Manthatha, auf die Verhängung des Strafmaßes warteten. Die vier Anti-Apartheidaktivisten waren vor zwei Wochen von Richter van Dijkhorst des Hochverrats schuldig gesprochen worden. Sieben weitere Führer verschiedener Oppositionsgruppen wurden für ihre Rolle bei Anti-Apartheidprotesten im September 1984 wegen Terrorismus verurteilt. Ihnen allen droht die Todesstrafe. Mit der Verkündung des Strafmaßes ist heute zu rechnen. Zuvor hatten die bekannte südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer und eine Reihe anderer Entlastungszeugen Gelegenheit erhalten, mildernde Umstände geltend zu machen.

„Ich unterstützte den ANC,“ sagte die Schriftstellerin. „Und unterstützen Sie die Armee des ANC, Umkhontho we Sizwe (Speer der Nation)?“ fragte der Staatsanwalt. „Ich selbst bin gegen Gewalt“, erwiderte Gordimer. „Aber als Teil des ANC unterstütze ich Umkhontho we Sizwe.“ Das Publikum beim längsten Hochverratsprozeß in der Geschichte Südafrikas lachte und klatschte beifällig. Immerhin ist allein schon die Unterstützung einer verbotenen Organisation wie dem ANC im Apartheidstaat strafbar.

Das Verhör der Entlastungszeugen war besonders schwierig, da jede Kritik des Urteils von Richter van Dijkhorst ausdrücklich verboten wurde. Der Richter hatte befunden, daß die UDF als interne Platzhalterin des ANC fungiert und einen... gewaltsamen Umsturz der Regierung angestrebt habe. Er werde es nicht erlauben, daß „Tatsachenbefunden des Gerichts widersprochen wird“, sagte der Richter.

So konnten Gordimer, der ehemalige SACC-Direktor Wolfram Kistner und andere lediglich bezeugen, daß die vom Gericht als Tatsachen akzeptierten Aussagen der Angeklagten nicht im Einklang standen mit ihrer persönlichen Kenntnis der Angeklagten. Im übrigen wiesen die Zeugen wiederholt auf die Unrechtmässigkeit des Apartheid-Regimes und auf die jahrzehntelange Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung hin.

Sogar Enos Mabuza, Führer des KaNgwane Homelands, bezeugte, daß seine Beteiligung an Strukturen des Apartheid-Systems nicht zur friedlichen Lösung der Probleme des Landes beitragen konnte.

Nur knapp 80 Familienangehörige, Diplomaten und Beobachter fanden in dem Gerichtssaal Platz. Unter den Beobachtern befand sich auch Uschi Eid, Bundestagabgeordnete der Grünen, und eine Rechtsanwältin als Vertreterin der grünen Bundestagsfraktion. Die Evangelische Kirche in Deutschland entsandte zwei Beobachter. Auch bundesdeutsche und andere westliche Diplomaten befanden sich im Publikum.