Als sitze der Hals noch am Rumpf

■ Zu Gabriel Axels Verfilmung von Tania Blixens Novelle „Babettes Gastmahl“

Sie war üppig gebaut, schwarzhaarig und totenblaß. So steht es bei Tania Blixen. Eine Kommunardin, eine Petroleuse, eine, die Häuser in Brand gesteckt hat. Ihr Mann wurde füsiliert, und sie mußte ins Ausland fliehen. Eine „Politische“ also. Eine Frau, die den beiden altjüngferlichen Propsttöchtern im norwegischen Fjord (im Film ist es die dänische Küste) nicht geheuer ist.

Bei Gabriel Axel ist Babette schlank, hat zarte Finger, eine gesunde Gesichtsfarbe und Löckchen im Haar. Lieb sieht sie aus. Daß sie den beiden schlichten Schwestern, diesen in die Jahre gekommenen Blondinen mit der rauhen Haut, dem hochgesteckten Haar und der sanften Sehnsucht in den blauen Augen, ein wenig unheimlich erscheint, müssen wir der Erzählerin aus dem Off also unbesehen glauben.

Die Schwestern, Martine und Philippa, sollen einmal schön gewesen sein. Auch das sieht man nicht im Film. Wieder ist es die Off-Stimme, die erzählt, daß die jungen Männer sich in der Kirche nach den beiden umdrehten, und genau das passiert dann auf der Leinwand. Pure Illustration.

Beide hatten mal einen Liebhaber. Der junge General mit dem schönen Namen Lorens Löwenhelm hatte sich in Martine verguckt und der berühmte Sänger Achille Papin in Philippa und ihre schöne Stimme. Er gibt ihr Gesangsunterricht. Im Film hat das peinliche Szenen zur Folge. Papin hat einen Schmerbauch und einen künstlichen Opernmund, seine Liebe zu der Schönheit vom Lande sieht theatralisch aus und ziemlich albern. Kein Wunder, daß Philippa, als er ihr nach dem Don -Giovanni-Duett Reich mir die Hand, mein Leben einen Kuß auf die Stirn drückt, zum Vater geht und um Beendigung der Gesangsstunden bittet. So sieht es jedenfalls aus. Aber die Geschichte geht anders. Die Verliebtheit macht ihr Angst, wohl auch ihre eigene.

„Babette kann kochen“, teilt Papin in seinem Empfehlungsschreiben an die Schwestern mit, das er der Französin mit auf den Weg in ihr nordisches Exil gibt. Also wird Babette im Brotsuppe-Kochen und Stockfisch-Einlegen unterrichtet. Wir sehen den dürren trockenen Fisch in Großaufnahme und wie die dicke braune Brühe Blasen wirft. Und wir sehen Babettes steinerne Miene dazu. Kein Kommentar. In der Küche wird Gabriel Axels Film manchmal so leise ironisch, so irritierend lakonisch wie Tania Blixens Erzählung. Vierzehn Jahre später dann das Festessen (Babette im Film ist keinen Tag älter geworden). Es war Babettes erste und letzte Bitte an die Schwestern, zum hunderdsten Geburtstag des verstorbenen Propstes für die kleine verschrobene Pietisten-Gemeinde ein französisches Diner zu kochen. Eines Tages kommen Wagenladungen voller Zutaten auf dem Dorfplatz an. Eine riesige lebende Schildröte ist dabei; die schnaubt, als habe sie Schnupfen. Die Schwestern haben Alpträume, ihr Schnarchen macht dasselbe Geräusch. Das hätte genügt, aber Axel inszeniert zusätzlich - und ziemlich ungeschickt - einen kompletten Alptraum.

Fortan fürchten die Schwestern Babettes Gastmahl und warnen die Gäste. Es ist Teufelswerk. Derweil brodelt es in den Töpfen und die Kristallgläser schimmern. Babette hat sich einen Dorfjungen für die Vorbereitungen und zum Kellnern beschafft, der rupft die Hühnchen. Dann schneidet sie ihnen den Kopf ab und arrangiert sie in der Pastete, daß der Kopf herauslugt, als sitze der Hals noch am Rumpf - Cailles en sarcophage, ihre Spezialität. Sie war mal die berühmteste Köchin von ganz Paris. Hat die Fürsten bekocht, die sie auf der Straße bekämpfte. Sie liebte den Adel, denn er allein wußte ihre Kunst zu schätzen. Diese Geschichte erzählt Gabriel Axel nicht. Zwar ist Stephane Audran als Babette eine wunderbare Schauspielerin, wenn sie mit erhitzem Gesicht und hochroten Backen mit dem Geschirr hantiert, aber sie ist im Film eben bloß eine Fürstin, die für die armen Leute kocht. Daß sie eine Kommunardin ist, die trotzdem lieber für die adeligen Feinschmecker kochte als für die Banausen vom Land, daß sie sich für die Brotsuppe rächt, nicht indem sie die Pietisten-Gemeinde vergiftet, sondern ihnen mit Amontillado, Schildkrötensuppe, Veuve Cliquot und Blinis Demidoff die Zungen adelt und sie in den Stand von Grafen und Königinnen erhebt - das zu erzählen war Gabriel Axel wohl zu kompliziert.

Christiane Peitz

Gabriel Axel, Babettes Fest; nach der Novelle von Tania Blixen; mit Stephane Audran, Vibeke Hastrup, Birgitte Federspiel; Dänemark 1987, 102 Min.

Die Novelle ist nachzulesen in: Tania Blixen, Schicksalsanekdoten; rororo 5421, 6,80 Mark