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Guru der "Nouvelle Vague"

■ Jean-Pierre Melville, ein großer Künstler des "film noir" / Jean-Paul Belmondo mit Bart (Foto)

Er trug immer einen schwarzen Mantel, eine Sonnenbrille und einen gewaltigen weißen Stetson, der sein Markenzeichen, aber auch das seiner isolierten Helden war. Nachts fuhr er mit seinem schweren Ford Galaxy stundenlang durch Paris, um nach Drehorten und Kamereinstellungen Ausschau zu halten, die aus Paris Manhattan machen sollten. Die Rede ist von Jean-Pierre Melville (1917 - 1973), mit bürgerlichem Namen Grumbach, dem französischen Regisseur und Produzenten, der wegen seiner Begeisterung für die amerikanische Kultur schon früh den Namen seines Lieblingsschriftstellers Herman Melville angenommen hatte.

Nicht nur in seiner äußeren Erscheinungsweise war er identisch mit seinen Filmhelden, auch seine ganze Lebensweise und seine Filme bildeten eine Einheit. So gründete er im Alter von 29 Jahren seine eigene Produktionsgesellschaft, arbeitete in seinem eigenen Filmstudio - in dem er auch lebte-, um seine Unabhängigkeit zu wahren. Seine außerordentliche Autonomie - er war nicht am kommerziellen Verleihsystem angeschlossen - sowie sein Verständnis für amerikanische populäre Kunst machten ihn zum Idol für die Regisseure der „Nouvelle Vague“.

Chabrol und Godart trafen sich bei ihm, und in Godarts Film A Bout de Souffle spielte er eine Gastrolle als Schriftsteller Parvulesco. Als er in diesem Film von Jean Seberg interwiewt wird, antwortet er auf die Frage, was seine größte Sehnsucht sei: „Unsterblich werden und dann sterben.“

Neben dem Einfluß Cocteaus, für den er 1950 Les Entfants terrible inszenierte, waren es die Figuren des amerikanischen Gangsterfilmes, die ihn faszinierten. Melville: „Die Welt der Gesetzlosen ist das letzte Bollwerk, wo noch die Kräfte des Guten und des Bösen zusammenprallen.“ Er übertrug die Themen und Figuren des amerikanischen Gangsterromans in das französiche Ambiente, was seinen Filmen eine seltsam stilisierte Schäbigkeit gab. In seinen Gangstergeschichten wie Bob le flambeur (1955), Le Doulos (1962), Le Samourai (1967), Un Flic (1972) wird die künstlerische Tradition des „film noir“, eine esoterische Spielart dieser Gattung, fortgeführt. Das Kernstück seiner Filme bildet der Dualismus zwischen Gangster und Polyp, Gut und Böse, Ordnung und Unordnung.

Doch beginnen sich - wegen Melvilles pessimistischer Weltsicht - auch diese Grenzen zu verwischen. Die Helden seines nächtlichen Kinos sind die Außenseiter, Gestalten voller innerer Zerissenheit, ihre Antriebskräfte und Motive sind Ehre, Verrat, Einsamkeit und Tod. Für den äußerlich kühl und emotionslos wirkenden Filmhelden zählt einzig das innere Abenteuer. Melville: „Es gibt keine tiefere Einsamkeit als die des Samurai - es sei denn die Einsamkeit des Tigers im Dschungel.“

Eigentümlich stilisiert, mit extremer Künstlichkeit und hohem Abstraktionsgrad heben sich Melvilles Filme von der Realität ab. Gerade deshalb fühlen sich Melville-Fans so wohl in dieser Märchenwelt der düsteren Schatten, der Gangsterehre und der Männertugenden.

ks

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