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Billiger, aber nicht schneller

■ Am 1. Januar startet die „Verkehrsgemeinschaft Bremen/Niedersachsen / UmsteigerInnen sparen / Künftig nur noch einmal stempeln in Bremer Bussen und Bahnen

21mal werden wir noch wach, heißa, dann ist...der behördlich errechnete Geburtstermin der „Verkehrsgemeinschaft für Bremen und Niedersachsen“, VBN. Am 1. Januar wird, nach mehr als 30jährigen Wehen, Bremen durch einen einheitlichen Tarif mit seinem Umland verbunden sein. Zwar wurde 1965 der Gemeinschaftstarif von Straßenbahn und Bundesbahn für die Strecke nach Vegesack verwirklicht. In den Zeiten des Autobooms jedoch stagnierte der öffentliche Nahverkehr. 1979 gab es einen neuen Anlauf, der nur neun Jahre später, im Juni 1988, zum Erfolg führte.

Vor allem für Fahrgäste, die zwischen verschiedenen Linien umsteigen müssen, wird der um

weltfreundliche Trip mit Bussen und Bahnen nicht nur einfacher, sondern in vielen Fällen auch billiger: Wer etwa vom Verdener Ortsteil Dauelsen zum Weser-Stadion will, mußte bisher drei Fahrkarten lösen: Das erste Ticket für die Busfahrt von der Wohnung zum Verdener Bahnhof (1,80 Mark), das zweite für die Eisenbahnfahrt von Verden bis Bremen -Hauptbahnhof (7,40 Mark), und das dritte für die Linie 10 der Bremer Straßenbahn vom Bahnhof zum Stadion (Einzelkarte 2,40 Mark). Das machte zusammen 11.60. Im Verkehrsverbund kostet die gleiche Fahrt zum Werderspiel bloß 7,40 Mark, für BenutzerInnen einer Viererkarte sogar nur 6.80 Mark. Ersparnis:

40 Prozent! Statt dreimal zu löhnen, gibt der Reisende bei Fahrtantritt in Dauelsen der Busfahrerin sein Ziel an. Die Chauffeurin sucht die Zone des Fahrziels raus und berechnet danach den Preis.

Selbstverständlich werden umgekehrt in allen Bremer Bussen und Bahnen auch Fahrkarten für alle Ziele im Umland verkauft. „Man muß nur die Zone wissen!“ heißt es bei der BSAG. Dort ist man optimistisch, daß der neue Service nicht zu Warteschlangen in den Fahrerkabinen der Busse und Bahnen führt.

Eine weitere kleine Vereinfachung wird der 1. Januar bringen: Künftig brauchen alle Fahrscheine nur noch einmal beim Fahrtantritt gestempelt zu werden. Das soll auch für die „normalen“ BSAG-Tickets im innerstädtischen Liniennetz Bremens gelten. Bisher nämlich konnten Fahrgäste Schwierigkeiten mit dem Kontrolleur bekommen, wenn sie vergessen hatten, nach jedem Umsteigen den Streifen abzustempeln. Die BSAG hat beim Verkehrssenator beantragt, den anachronistischen Umsteige-Stempelzwang abzuschaffen.

Wenn ein Teil der Benutzer von Bussen und Bahnen künftig weniger zahlen, haben dennoch die Verkehrsbetriebe keine Einbußen. Im Vertragstext über die VBN ist festgeschrieben, daß die Kommunen den Verkehrsunternehmen die Mindereinnahmen durch sogenannte „Abgeltungszahlungen“ schmackhaft machen müssen. Dabei zahlt Bremen 4,5 Mio Mark, die niedersächsischen Umlandgemeinden und Landkreise zusammen 2,1 Mio Mark. Das Land Niedersachsen zahlt nichts.

Kürzere Reisezeiten, mehr Komfort und bessere Anschlüsse wird es allerdings zum Jahreswechsel nicht geben. Neue Fahrpläne treten erst Ende Mai 1989 in Kraft. Es wird noch Jahre dauern, bis sich der Neuling VBN zu einer attraktiven Alternative im Nah

verkehr gemausert hat und mehr Pendler, Kauflustige, Erholungssuchende, Sportfans und Kulturbeflissene das Auto stehen lassen. Aber immerhin: Ein Anfang ist

gemacht. Jürgen Bolte, Fahrdienstleiter bei der „Verden Walsroder Eisenbahn“: „Das muß jetzt mit Leben erfüllt werden.“

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