„Europas Feindbild Islam“

■ Gregor Böckermann, Ordensmann der „Weißen Väter“, verteidigt islamischen Fundamentalismus / Über deutschen Rassismus und schlechtes Gewissen

Die beiden Hände berühren sich leicht an den Fingerspitzen, den Kopf hält er beim Vortrag etwas schräg. Er spricht leise, aber seine Stimme akzentuiert deutlich - kurzum, den katholischen Geistlichen sieht man Gregor Böckermann auf Anhieb an.

Auf Einladung des „informationszentrums afrika“ (iza) kam der „Weiße Vater“ nach Bremen, um über seine Erfahrungen in Algerien zu berichten. Seit 1868 müht sich der Orden der Weißen Väter, Muslime zum Christentum zu bekehren - mit mäßigem Erfolg. Obwohl sich die Missionare in Kleidung (Weiße Väter!), Nahrung und Lebensgewohnheiten an die Sitten der Araber anzupassen suchen, blieb dem Orden der durchschlagende Bekehrungserfolg in Nordafrika versagt.

Der Missionar Böckermann (48) findet das ganz in Ordnung. „Ich habe zu Gott gebetet, daß er mir keinen Algerier schickt, der Christ werden will.“ 1968 kam er als frischgeweihter Priester zu den Weißen Vätern. Zwischen 1972 und 1986 lebte er in Algerien, meist in der Kasbah von Algier. Dort leitete er eine Biblio

thek, die vor allem von SchülerInnen frequentiert wurde. Heute wohnt er in Frankfurt, wo er sich vor allem um den christlich-islamischen Dialog kümmert.

Um den freundschaftlichen Austausch mit der Lehre des Propheten Mohammed sei es allerdings hierzulande schlecht bestellt. Das „Feindbild Islam“ habe in der Bundesrepublik feste Konturen angenommen und den Kommunismus als gesellschaftlich anerkanntes Grundübel verdrängt. Der Islam werde als „mittelalterliche Religion“ verteufelt. Der Schleier gelte vielen EuropäerInnen als Symbol für die Unterdrückung der Frau. Europas Kultur sei durch die Wühltätigkeit von „fundamentalistischen“ Koranschulen bei uns bedroht.

Den anti-islamischen Vorurteilen begegnete Böckermann mit eigenen hardliner-Positionen: „Wir sollten den Fundamentalismus begrüßen.“ Er sei Antwort auf Kolonialismus und kulturelle Abhängigkeit. Die Europäer müßten „runter vom hohen Roß“: Unser Part sei die „Infragestellung des Kapitalismus. Insofern habe der Ordensmann auch Sym

pathie für die Baader-Meinhof Leute. Teilnehmer der gutbesuchten Veranstaltung hielten dagegen Böckermanns Verständnis in Sachen islamischer Fundamentalismus für einseitig, ärgerlich und blauäugig.

Vorurteile gegenüber dem Islam verbinden sich nach Böckermanns Erfahrung häufig mit rassistischen Einstellungen. Während seines Algerien-Aufenthalts hat der Priester die Einstellung von deutschen Technikern, Geschäftsleuten und Entwicklungshelfern zum Gastland erfragt. Dabei kristallisierten sich drei Prototypen heraus: der rassistische Evolutionist, der technokratische Ökonomist und der grüne Politiker.

Der rassistische Evolutionist hält den Islam für durch und durch rückschrittlich. Den AlgerierInnen fehlten - so schrieben es Böckermanns Landsleute in die Fragebögen mindestens hundert Jahre Zivilisation. Rassistische Evolutionisten gab es vor allem unter Technikern, die außer beim Job keinen Kontakt zu Algeriern wollten.

„Menschliche Eigenschaften“

billigen dagegen die technokratischen Ökonomisten den AlgerierInnen durchaus zu. Sie seien freundlich, gastfrei und offen, ihr Land von großer Schönheit. Diese großen Kinder seien aber noch nicht reif für den european style of life, und es hapere mit der Arbeitsmoral. Diese jovialen Kotzbrocken hat Böckermann vor allem unter den Repräsentanten deutscher Firmen und Regierung gefunden.

Bleibt der äußerst rare Typus des grünen Politikers. Der sei vor allem mit seinem ständig schlechten Gewissen beschäftigt. Den eigenen Aufenthalt im Gastland hält er für unheilvoll. Der grüne Politiker habe in Algerien mehr empfangen als gegeben. Böckermann: „Der grüne Politiker möchte sich zum Liebling der Algerier machen.“

Allen drei Typen bescheinigt Böckermann ethnozentristische Vorurteile. Zugleich ziehen sie persönliche Vorteile aus ihrem Aufenthalt in dem islamischen Land. Böckermann hält dagegen: „Wir müssen Position ergreifen für die kulturelle Verschiedenheit.“

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