Zäher Kampf gegen militärische Tiefflieger

■ Seit Jahren versuchen Bürgerinitiativen, einen Stopp der gefährlichen und gesundheitsschädlichen Flüge durchzusetzen Protestbriefe selbst aus CDU-Gemeinden / Trauerbeflaggung und kurzer Tiefflugstopp zu Weihnachten

Passend zur Weihnachtszeit: Über allen Wipfeln ist Ruh, zumindest was militärische Tiefflieger angeht. 14 Tage Erholungspause für lärmgeplagte Ohren. Doch dann geht es wieder los. Denn über ein Ende des Kriegübens ein paar Meter über der Erde wird auf der Bonner Hardt-Höhe nach wie vor nicht nachgedacht.

Eine neue Qualität des Grauens ist Remscheid lediglich wegen der Anzahl der Toten und Verletzten. Ansonsten ist der Absturz von Militärmaschinen in Wohngebiete ein beinahe jährlich wiederkehrendes Ereignis. Am 10. Juli 1984 zum Beispiel krachte ein Starfighter in ein Bauernhaus bei Stade, nur dreißig Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk. Zwei Menschen starben. Damals gründete sich in Stade eine Bürgerinitiative gegen die Tiefflieger.

Die „Notaktion Fluglärm Unterelbe e.V.“ (NFU) ist inzwischen eine der größten Gruppen im Bundesgebiet geworden. Neben 150 Mitgliedern gehören ihr auch weitere Vereine und Kommunen an. Allerdings hatte die Arbeit zunächst schleppend begonnen. Von 21 Bürgermeistern, die 1984 angeschrieben worden waren, antwortete nur ein einziger mit einem formalen Brief. Doch schon ein Jahr später hatte die „Notaktion“ mit spektakulären Aktionen und Veranstaltungen fast alle Gemeinden und Samtgemeinden der Stader Region zu Protestresolutionen gegen den Tieffluglärm und die Gefahren, die von Abstürzen ausgehen, mobilisiert. Auch CDU-Gemeindevorsteher gehören inzwischen zu den Unterstützern.

Trotzdem dauerte es nur knappe vier Jahre, bis wieder ein Düsenjäger seinen Tiefflug über der Unterweserregion abrupt beendete. Er stürzte am 5. Juli die

sen Jahres in ein Feld, knapp 20 Kilometer vom AKW Stade entfernt.

Unterdessen hatte die Familie, deren beide Kinder bei dem Absturz 1984 ums Leben gekommen waren, eine „Entschädigung“ erhalten. Vorausgehen mußte jedoch ein zäher Prozeß durch mehrere Instanzen, weil das zuständige „Bundesamt für Verteidigungslasten“ nicht freiwillig zu entsprechenden Zahlungen bereit war. Noch nicht einmal ein Beileidsbrief hatte die Familie erreicht.

Gestern zeigte sich die niedersächsische Landesregierung eilfertiger. Ministerpräsident Albrecht ließ alle Fahnen auf Halbmast setzen und ordnete dies auch für den Tag der offiziellen Trauerfeier in Remscheid an.

Tiefflug, das ist nach der Definition des Verteidigungsministeriums, wenn die Düsenjäger dem Erdboden bis auf 75 Meter nahe kommen dürfen. Sieben solche Tiefflug -Gebiete gibt es in der Bundesrepublik, unter anderem im Emsland und über der Lüneburger Heide. Eingebettet sind diese Zonen in Gebiete, in denen die Düsenjäger bis auf 150 Meter Tiefe herabkommen dürfen.

Daß die Piloten diese Vorschriften in einer Tour unterfliegen, ist jedoch offenes Geheimnis. Wer sich darüber beschweren möchte, wird vom Luftwaffenamt in Köln freundlich gebeten, Typ und Nummer des entsprechenden Düsenjägers anzugeben.

Sinn der Tieffliegerei ist es, dem Erdboden möglichst nahe zu kommen. Erst wenn ein Pilot bewiesen hat, daß er sein Flugzeug in 300 Meter Höhe beherrscht, darf er weiter hinab. Ziel ist es, in nur 30 Meter Entfernung über den Erdboden hinwegzurasen. Diese sogenannten Tiefstflüge werden in Labrador, im entlegenen Ka

nada geübt.

Vor fünf Jahren bildeten sich an vielen Orten der Bundesrepublik Initiativen gegen den Fluglärm. Kommunalparlamente verabschiedeten Resolutionen. Reaktion des Verteidgungsministeriums: Es wurden vier „sky guards“ angeschafft. Diese Geräte können im Umkreis von 20 Kilometern überprüfen, ob sich die Piloten an die Auflagen halten. An der alltäglichen Praxis der Piloten, trotzdem tiefer zu fliegen als erlaubt, hat sich bislang trotzdem nichts geändert.

Die Fluglärminitiativen haben sich inzwischen bundesweit zusammengeschlossen. Doch mit der Gesprächsbereitschaft der Militärs und ihrer Politiker hapert es. „Die hören uns einfach nicht zu“, erinnert sich zum Beispiel das Stader Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Tieffluggegner, Bärbel Stechen, an ihre letzte Begegnung mit Staatssekretär von Würzbach auf einer Anhörung in Kiel.

hbk/Ase