Rabenmutter Vater Staat

■ Fachtagung selbstorganisierter „Krabbelgruppen“ fordert bedarfsgerechtes Angebot

Bremen ist nicht mal Mittelmaß. Bremen ist mehr als mäßig, was seine Fürsorge für den Landeskinder-Nachwuchs anbelangt. Das haben am Donnerstag die Teilnehmer einer Fachtagung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands über die (Unter)Versorgung mit Krabbelgruppen- und Krippenplätzen herausgefunden. Aber auch das: Bremer PolitikerInnen aller Parteien haben das Problem inzwischen zumindest begriffen.

Gerade mal für jedes 350. Gör im vor-bis spättrockenen Alter von null bis drei Jahren gibt es in Bremen ein öffentlich gefördertes, pädagogisch fachbetreutes Krabbelplätzchen. NichtbremerInnen haben es da fünfmal so gut: Bundesdurchschnittlich entfällt auf jeden 70. Kleinstkindkopf ein Krippenplatz.

Die rabenstiefmütterliche Haltung von Vater-Bremen-Staat gegenüber seinen Jüngsten hat rund 200 Alleinerziehende und Elternpaare inzwischen in die berühmte, erfinderisch machende Not getrieben: Mit viel Eigeninitiative, ziemlich viel ABM und vergleichsweise lächerlichen Fördermitteln haben sie 32 Krabbelgruppen selbstorganisiert. 120.000 Mark hat Sozialsenator Henning Scherf in diesem Jahr für die Förderung aller Gruppen zur Verfügung gestellt. Macht rund 4.000 Mark pro Gruppe und Jahr. Je 50.000 Mark wären nötig, um die finanzielle Belastung der Eltern auf Kindertagesstätten-Niveau der 4- bis 6jährigen zu drücken: Bis zu 210 Mark schlägt ein öffentlicher Kita-Platz in Bremen in die private Haushaltskasse gut bis bestens Verdienender. Bis zu 600 Mark zahlen notgedrungen die Eltern der jüngsten BremerInnen in den selbstorganisierten Krabbelgruppen. Bei einzelnen Gruppen ist das Vertrauen in den Staat seither so erschüttert, daß sie nach Theater- und Kunstsammler-Vorbild auf Privatsponsoren-Suche für eine integrative und altersgemischte Kleinstkindpädagogik gegangen sind. Ein etwas größeres Kiefernmöbelhaus aus Schweden steht z.B. auf der selbstlosen Unterstützerliste der Huchtinger „Gummibärchenbande“.

Bremens Politikerinnen zeigten sich am Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion zumindest aufgeschlossen für die Jungelternsorgen. Silke Striezel (CDU) z.B. gestand zu, in den letzten Jahren etwas gelernt zu haben. Den alten Grundsatz „Kleinkinder gehören zu Mama und Papa“ könne sie so heute auch nicht mehr aufrechterhalten, zumindest für den Nachwuchs „sozial benachteiligter“ Familien müsse der Staat ein ausreichendes Betreuungsangebot vorhalten. Schöner als kommunal geförderte Krippenplätze findet auch Annegret Pautzke (FDP) eine nette deutsche Familie, wo der Papa arbeiten geht und die Mama solange die Kinder liebhat. Einen Krippenplatz will die FDP-Politikerin deshalb niemandem „aufzwingen“, aber zumindest „vorhalten“. Für die SPD hatte Elke Steinhöfel zwar nichts gegen ein ausreichendes Angebot an öffentlichen Krabbelplätzen, weiß aber nicht recht, woher das Geld kommen soll, um es in Bremen auch zu bezahlen. Einig mit den Eltern zeigte sich Helga Trüpel von den Grünen. Schon für den laufenden Haushalt habe sie die Finanzierung eines bedarfsgerechten Angebots gefordert, bei den übrigen Parteien allerdings lediglich Gelächter geerntet.

Hoffnung setzen die Bremer Krabbelgruppen-Initiativen auf Bonn: In Rita Süßmuths inzwischen verwaistem Familienministerinnen-Schreibtisch liegt ein Gesetzentwurf, der alle Bundesländer zu einem „bedarfsgerechten Betreuungsangebot für die Null-bis Dreijähigen“ verpflichtet.

K.S.