PORTRAIT
: Abschied vom „Herr der Ringe“

■ Berthold Beitz, bislang Aufsichtsrats-Vorsitzender des Krupp-Konzerns, will sein Amt niederlegen

Bei Krupp kriselt es, von neunstelligen Verlustzahlen ist die Rede. Die Banken, bei denen der Konzern mit rund 2,6 Milliarden Mark in der Kreide steht, werden nervös. Mit der Sitzung des Aufsichtsrates vom Mittwoch haben sie nun das Personenkarussell in den Krupp-Gremien in Schwung gebracht. Berthold Beitz, 18 Jahre lang Vorsitzender des Aufsichtsrates, hat sich bereiterklärt, sein Amt im nächsten Jahr abzugeben. Befördet wurde Gerhard Cromme, Chef der Krupp Stahl AG: Er rückt in den Konzernvorstand auf. (Red.)

Bautz“, wie ihn seine engsten Freunde nennen, „Bautz“ geht: Das Haus Krupp verabschiedet den Lotsen Berthold Beitz. „Er war immer mehr zu einer Belastung nicht nur für die Großbanken geworden“, schreibt die Wirtschaftsredaktion des Ruhrpott-Monopolblattes WAZ über den jetzt 75jährigen Aufsichtsrats-Vorsitzenden des Krupp-Konzerns in Essen. Offizielle Lesart: Die Kontrolle über Krupp soll „in jüngere Hände“ übergehen. Damit geht bei Krupp ein Ära zuende: die eines individuell auftretenden Wirtschaftsbosses, nicht mehr Ruhrbaron, noch nicht Manager.

Jazzmusik mag er, Emil Nolde, die deutschen Expressionisten überhaupt. Und als er mit einer „Christian Dior-Modenschau“ in den ehrwürdigen Hallen der „Villa Hügel“ 1953 seinen Einstand bei Krupp gab, standen die Ruhrbarone Kopf. Selbstvertrauen genug hat er immer gehabt: „Ich führe Krupp aus der Hosentasche“, erzählte er einem Journalisten. Seit seinem Amtsantritt wandelt er das erzreaktionäre Image der Waffenschmiede Krupp: „Kinder statt Kanonen heißt das Motto“, verriet er auf einer Moskau-Reise, als er sowjetischen Politikern das Baby-Foto seiner jüngsten Tochter zeigte. Doch sie Zeiten änderten sich schnell: Heute montiert Krupp bei MaK in Kiel wieder den Panzer Leopoard II und stellt bei Atlas Elektronik in Bremen hochmoderne Waffentechnik her.

In Hinterpommern geboren, machte Beitz zunächst eine Banklehre. 1938 wechselte er den Beruf: Er würde Öl-Mann. Für Shell arbeitete er im besetzten Polen, und als Direktor des Bohrzentrums Boryslaw, mit Wehrmachtsbinde am Arm, machte er etwas sehr Ungewöhnliches, das ihm später jede Tür in den Osten öffnete: Beitz rettete insgesamt mehr als 6.000 jüdische und polnische Beschäftigte vor dem sicheren Tod, viele noch aus den Waggons zum Konzentrationslager. Zur gleichen Zeit forderte auch sein späterer Ziehvater Alfried Krupp KZ-Häftlinge von der SS an –zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen. In Rheinhausen ersetzen sie die 1271 Söhne der Stadt, die als Soldaten auf Krupp-Schienen an die Front und in den Tod fuhren.

Mit Berthold Beitz, der 35 Jahre für den Konzern arbeitete, 1970 zum Chef des Aufsichtsrates wurde und schon drei Jahre vorher die Leitung der Krupp-Stiftung übernahm, vollzog sich der Wandel vom patriarchalischen zum modernen Konzern. Im Juni 1989 gibt Beitz, der Herr über die drei Ringe, das Szepter ab. Sein Nachfolger muß weiterhin mit ihm rechnen. Denn Beitz will Vorsitzender des Kuratorium der Alfrdd Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung bleiben. Sie hält 75 Prozent des Krupp-Konzerns.

Fred Schywek